Cover von „Doktor Ain“ von James Tiptree Jr., das einen stilisierten Gorilla auf einer Holzoberfläche zeigt.

Doktor Ain

von James Tiptree Jr.


18.06.2021

  • Science-Fiction

James Tiptree Jr. , das Pseudonym von Alice B. Sheldon, fasziniert sowohl als Person als auch als Schriftstellerin bis heute eine breite Leserschaft und ihre Kurzgeschichten, wie etwa ihr Frühwerk in Doktor Ain, zählen zu den Klassikern des Genres. Was hinter Alice Sheldon und ihren Werken steckt, soll diese Rezension klären.

Endlich eine Gesamtausgabe

Der nicht mehr ganz so junge österreichische Kleinverlag Septime nahm vor einigen Jahren das Risiko auf sich, das Gesamtwerk der beinahe in Vergessenheit geratenen Schriftstellerin Alice B. Sheldon zu veröffentlichen, eine glückliche Entscheidung, denn mittlerweile liegt ihr gesamtes Erzählwerk vor, zusätzlich dazu findet der geneigte Leser noch eine Biographie und ausgewählte Briefe. Doktor Ain, der erste Band der Reihe, umfasst dabei ihr erzählerisches Frühwerk mit Geschichten, die zwischen 1967 und 1969 veröffentlicht wurden, von denen einige allerdings wohl schon viel früher entstanden sind. Die insgesamt 17 Kurzgeschichten zeigen in welch breitem Spektrum Alice Sheldon sich erzählerisch bereits zu Beginn ihrer Karriere bewegen konnte.

Das Frühwerk der James Tiptree Jr.

Zu den Höhepunkten des Bandes zählt wohl Geburt eines Handlungsreisenden, in der ein Zollbeamter in einer interplanetaren Verladestation den Warenverkehr über hunderte Planeten koordiniert und innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen bezüglich Verpackung und Versand treffen muss. Dabei muss er natürlich kulturelle Gegebenheiten berücksichtigen, damit sich kein Volk etwa an einer Verpackungsform stören kann. In eine ähnliche Richtung tendieren auch Mama kommt nach Hause und Hilfe, in denen ein kleines und unterbezahltes CIA Büro sich unerwarteterweise mit dem Auftauchen von Aliens beschäftigen muss. Alle drei Geschichten bestechen vor allem durch ihren Humor und ihren locker-flotten Erzählton.

Die titelgebende Geschichte Doktor Ains letzter Flug hingegen schlägt einen deutlich ernsteren Ton an und handelt von einem Wissenschaftler, der der Erde zur Liebe die Menschheit ausrotten will. Mein persönliches Highlight stellt Glück ist ein wärmendes Raumschiff dar, eine klassische Space Opera Novelle, die herzerwärmende Charaktere mit einer spannenden Handlung kombiniert. Gerne hätte ich noch mehr Abenteuer mit Lieutenant Quent, Captain Imray und ihrer buntgemischten Crew erlebt. Die restlichen Geschichten reichen von sehr experimentellen Geschichten zu klassischen Abenteuergeschichten, die dennoch immer einen originellen Twist enthalten.

Die perfekte Schriftstellerin

Das faszinierende an Tiptrees Stil ist ihre enorme erzählerische Breite. Sie kann spielend leicht die Erzählform wechseln, schreibt sowohl humorvolle als auch ernste Geschichten, beherrscht Dialoge genauso wie Beschreibungen, ruhige und auch Action geladene Momente und das auf einem enorm hohen Niveau. Sie hat das Schreiben perfektioniert, es scheint keine großen Schwächen in ihren Erzählungen zu geben und es handelt sich bei diesen Geschichten gerade mal um ihr Frühwerk. Charakteristisch für Ihre Geschichten ist, dass sie dabei oft in fremden Gefilden spielen, dabei aber auch immer uns vertraute Elemente enthalten.

Das faszinierende Leben der Alice Sheldon

Die Autorin selber ist dabei mindestens genauso spannend wie ihre Geschichten und ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, darum kann ich hier nur kurze Ausschnitte aus ihrem Leben wiedergeben. Als sich Alice Sheldon im Alter von 51 Jahren dazu entschloss, ihre Geschichten zu veröffentlichen, konnte sie bereits auf ein bewegtes Leben zurückblicken: eine Kindheit mit vielen Reisen zu exotischen Orten, frühe lesbische Neigungen, eine überstürzte Ehe mit einem Schriftsteller und Schläger, Arbeit für die Air Force im zweiten Weltkrieg, die Hochzeit mit ihrem neuen Mann – einem hohen CIA Beamten – und anschließend ein Psychologie Studium mitsamt Doktortitel.

Dennoch entschied Sie sich für ein Pseudonym als sie damit begann, ihre Geschichten zu veröffentlichen. Zu gewagt schienen ihre Geschichten für eine Frau zu sein, zu groß der vermeintliche Druck der Öffentlichkeit. Als James Tiptree konnte sie hingegen veröffentlichen, was sie wollte und täuschte so über ein Jahrzehnt lang ihre Leser und Autorenkollegen.

Für den Preis ist die Ausstattung in Ordnung

Die Ausgabe des Septime Verlages ist handwerklich in Ordnung, in meinen Augen allerdings nicht angemessen für eine Autorin ihres Ranges. Es handelt sich um einen stabilen Pappband mit Schutzumschlag und Klebebindung. Der Schutzumschlag ist wirklich schön und dezent gestaltet und auch das Papier ist dick und stabil, sogar auf ein Lesebändchen wurde nicht verzichtet.

Dennoch hätte ich mir einen schönen Leineneinband mit Fadenheftung gewünscht, doch der deutschsprachige Raum ist wohl noch einige Jahre/Jahrzehnte von solch schönen Ausgaben für das phantastische Genre entfernt. Im Anhang finden sich noch detaillierte Informationen zu den einzelnen Geschichten und ein interessantes Nachwort der Sheldon Biographin Julie Phillips, die ihre Lebensgeschichte in gebotener Kürze nachzeichnet.

Bibliographie

Mehr Weniger

Pro/Contra

Pro
  • Tiptree hat das Schreiben perfektioniert, es gibt nichts, was sie nicht kann
  • vielfältige und kreative Kurzgeschichten
Contra

Fazit


James Tiptree Jr. / Alice Sheldon kann mit vielfältigen Geschichten und einem herausragenden Stil begeistern und zählt zu den ganz großen der Science-Fiction Literatur. Jeder der sich zumindest ein wenig für Kurzgeschichten und Science-Fiction erwärmen kann, findet hier eine wahre Goldgrube. Unbedingt lesen!

autor: James Tiptree Jr.

Titel: Doktor Ain

Seiten: 463

Erscheinungsdatum: 1938

Verlag: Septime Verlag

ISBN: 9783902711236

übersetzer: s.o.

illustratorIn: –

Reihe: James Tiptree Jr. Werkausgabe (1)

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