Unheimliche Geschichten
von Edgar Allan Poe
04.02.2022
- Horror
- ·
- Phantastik
Es gibt wohl nur wenige Schriftsteller, die einen so großen und bis heute spürbaren Einfluss auf die Literatur haben wie Edgar Allan Poe. Die 1861 von Fjodor M. Dostojewski zusammen gestellte Sammlung Unheimliche Geschichten enthält drei seiner bekanntesten Kurzgeschichten.
So einflussreich war kaum ein Schriftsteller
Nur wenige Schriftsteller prägten sowohl die moderne als auch die klassische Literatur so sehr wie Edgar Allan Poe. Es ist nur schwer vorstellbar, dass es einen Leser gibt, der nicht zumindest eine Geschichte oder ein Gedicht von ihm gelesen hat: Metzgerstein, Der Untergang des Hauses Usher, Die Maske des roten Todes, Das verräterische Herz und nicht zuletzt auch Der Rabe zählen zu den unbestrittenen Klassikern der Weltliteratur – um nur einige Werke stellvertretend zu nennen.
Seine dunklen Geschichten und seine eindringliche, stellenweise gerade zu poetische Sprache faszinieren bis zum heutigen Tag unzählige Leser. Wie kein Zweiter schafft er es, den Leser in seine Geschichten zu ziehen und sie an seinen dunkelsten Gedanken teilhaben zu lassen.
Eine kleine, aber hervorragend zusammengestellte Sammlung…
Als Kind habe ich seine Geschichten verschlungen, ihn aber in den nachfolgenden Jahren aus den Augen verloren – ein Schicksal, das wohl viele Klassiker erleiden müssen. Wie gerufen kam daher auch diese von Kat Menschik illustrierte Ausgabe aus dem Galiani Verlag. Der Band Unheimliche Geschichten versammelt drei Geschichten, die kein Geringerer als Fjodor M. Dostojewski 1861 als Herausgeber veröffentlichte, um dem russischen Publikum diesen großartigen Schriftsteller nahe zu bringen.
Die Sammlung beginnt mit einem echten Klassiker – Das verräterische Herz. Jede Beschreibung dieser Geschichte würde einem potentiellen Leser, der sträflicherweise diese Geschichte noch nicht gelesen hat, die Freude an der Lektüre verderben, darum verzichte ich an dieser Stelle darauf. Diese Geschichte liegt mir besonders am Herzen, da sie meine erste Begegnung mit Poe darstellt und ich sie, obwohl inzwischen viele Jahre ins Land gezogen sind, immer noch genau vor Augen habe.
Die zweite Geschichte Der schwarze Kater zählt ebenfalls zu den bekannteren Geschichten Poes und handelt von einem Mann, der dem Alkohol verfällt und infolge dessen allmählich die Kontrolle über sein Leben verliert.
Die abschließende Geschichte Der Teufel im Glockenturm erinnert mehr an eine Satire als eine klassische Schauergeschichte. Ein mysteriöser Mann (oder ist es der Teufel?) bringt das wohlbehütete Leben eines ganzen Dorfes in den Niederlanden durcheinander und niemand scheint ihn aufhalten zu können.
… ausgewählt von Fjodor M. Dostojewski
Abschließend finden wir noch ein Nachwort von Fjodor Dostojewski, dass auch schon der Originalausgabe beilag. Dort versucht er den russischen Lesern Poe schmackhaft zu machen – bis zu diesem Zeitpunkt gab es in Russland noch keine Veröffentlichungen von Poes Kurzgeschichten – und versucht auch die Unterschiede zwischen dem anderen großen phantastischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts – E.T.A. Hoffmann – herauszuarbeiten.
Seine Erläuterungen erklären auch die Auswahl der Geschichten, die nur einen geringen phantastischen Anteil aufweisen. Hier entsteht der Horror Effekt in erster Linie nicht durch übernatürliche Wesen, sondern über den unaufhaltsamen Kontrollverlust seiner Protagonisten, die verzweifelt versuchen, ihrem Schicksal zu entrinnen, während der Leser schon längst ahnt, dass die Geschichten kein gutes Ende nehmen werden.
Natürlich können drei Geschichten unmöglich das Gesamtwerk Poes abbilden und stehen sicherlich nicht stellvertretend für sein Werk. Dennoch halte ich diese Auswahl für gelungen und womöglich auch geeignet für Leser, die phantastischen Werken eher abgeneigt gegenüberstehen.
Kann eine Übersetzung zu modern sein?
Die Übersetzungen von Steffen Jacobs sind zeitgemäß und sind auch für den heutigen Leser geeignet, aber im Falle des verräterischen Herzens meiner Ansicht nach ein wenig zu „modern“ übersetzt. Vielleicht ist mein Blick auf diese Geschichte zu sehr von meinen frühen Leseerfahrungen verklärt, aber in dieser Fassung konnte mich die Geschichte nicht so fesseln wie in früheren Tagen.
Im Vergleich zu anderen, im Internet frei auffindbaren Übersetzungen sagt mir mein laienhafter Blick, dass Jacobs zwar im Wortlaut näher am Originaltext ist als andere Arbeiten, allerdings geht dabei die beklemmende Atmosphäre verloren, die das Original ausmacht. Dies mag aber nur mein persönlicher Eindruck sein – den anderen beiden Geschichten hat die modernere Übersetzung jedenfalls nicht geschadet.
Ein liebevoll illustriertes Buch, das Lust auf mehr macht
Das eigentliche Highlight stellt jedoch die Buchgestaltung von Kat Menschik dar. Ihre im Galiani Verlag herausgegebene Reihe Illustrierte Lieblingsbücher wird zurecht mit Lob und Preisen überhäuft. Obwohl ich eher ein Freund der klassischen Buchgestaltung bin, konnte mich dieser kleine Band restlos überzeugen.
Ob nun die neonorangene Lackschrift, der farbige Buchschnitt, die obligatorische Fadenheftung oder das farblich abgestimmte Vor- bzw. Nachsatzpapier – dieses Buch weiß jedem bibliophilen Leser zu gefallen. Daneben begeistern auch die zahlreichen ganzseitigen Illustrationen, die wahlweise die Handlung wiedergeben oder die Geschehnisse interpretieren und so die Geschichten wunderbar ergänzen.
Illustriert von Kat Menschik
Bibliographie
Pro/Contra
Pro
- ideale Einstiegsmöglichkeit in Poes Werk
- hervorragende Illustrationen von Kat Menschik
Contra
- die Neuübersetzung ist näher am Wortlaut des Originals, dabei geht aber ein Stück der beklemmenden Atmosphäre verloren
Fazit
Die Unheimliche(n) Geschichten von Edgar Allan Poe stehen sicherlich nicht stellvertretend für sein Gesamtwerk, sind aber ein idealer Einstiegspunkt für Leser, die bislang mit einer Poe-Lektüre gezögert haben. Selten habe ich ein so liebevoll gestaltetes Buch für den Massenmarkt in den Händen gehalten – eine klare Kaufempfehlung!
autor: Edgar Allan Poe
Titel: Unheimliche Geschichten
Seiten: 96
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Galiani Verlag
ISBN: 9783869711676
übersetzer: Steffen Jacobs, Alexander Nitzberg
illustratorIn: Kat Menschik
Reihe: Illustrierte Lieblingsbücher (5)