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Das Labyrinth

von Simon Stalenhag


06.01.2023

  • Phantastik
  • ·
  • Science-Fiction

Mit Das Labyrinth liegt bereits das vierte Werk des schwedischen Erfolgsautors Simon Stalenhag vor, dass wie seine Vorgänger irgendwo zwischen Kunst und Literatur anzusiedeln ist. Kann er das hohe Niveau der vorherigen Bände halten?

Das Ende der Menschheit

Stalenhag wirft uns gleich zu Beginn in ein apokalyptisches Szenario. Nachdem die sogenannten schwarzen Sphären die Atmosphäre verseucht und sämtliche Tiere und Pflanzen ausgelöscht haben, ist das Leben auf der Erdoberfläche unmöglich geworden. Nur ein kleiner Teil der Menschheit konnte sich in riesigen Bunkeranlagen unter der Erde verschanzen. Diese Isolation wird nur durch gelegentliche Erkundungsmissionen unterbrochen, die die fortschreitende Veränderung an der Erdoberfläche dokumentieren und keinen Anlass bieten, auf baldige Besserung hoffen zu können.

Auf einer solchen Erkundungsmission begleiten wir die Mikrobiologin Sigrid und ihren Bruder Matte, die dieses Mal von ihrem Ziehsohn Charlie begleitet werden. Eigentlich sollte dieser Ausflug dessen zunehmenden Verhaltensstörungen entgegenwirken, doch die Mission verläuft für alle Beteiligten anders als erwartet…

Etablierter Künstler und Schriftsteller

Simon Stalenhag ist längst kein Geheimtipp mehr. Seine Werke sind Gegenstand begeisterter Rezensionen und nicht zuletzt auch die auf seinem Debüt Tales from the Loop basierende gleichnamige Amazon Serie machte ihn bei einem breiten Publikum bekannt. Doch was macht die Werke dieses Autors und Künstlers so besonders?

Düsteres Szenario

Genau wie The Electric State ist auch Das Labyrinth in einer nicht allzu fernen Zukunft angesiedelt und erzählt die Geschichte einer Außenseiterin, die mit den neuen Lebensbedingungen zurechtkommen muss. Im Unterschied zu seinen Vorgängerbänden schlägt er jedoch einen deutlich düsteren Erzählton an und entwirft ein aussichtsloses Szenario, in dem sich seine Figuren den Konsequenzen ihres Handelns stellen müssen.

Dem Leser erschließen sich die Umstände erst nach und nach. Geschickt steigert der Autor mit jeder Seite die Spannung, indem er uns nur nur zögerlich mit neuen Informationen versorgt und erst im grandiosen Finale das ganze Ausmaß der Verbrechen der Protagonisten offenbart. Diese Wirkung verdankt diese Erzählung jedoch nicht dem reinen Prosa-Text an sich, der kaum den Umfang einer Kurzgeschichte übersteigt. Damit möchte ich nicht sagen, dass Stalenhag ein schlechter Autor ist. Das Gegenteil kann ich aber auch nicht behaupten, was schlichtweg daran liegt, dass der reine Erzähltext nur einen Bruchteil der Handlung umfasst. Stalenhag ist bekannt dafür, Handlung und Text ineinander übergehen zu lassen und erst durch die gemeinsame Betrachtung beider Elemente erschließt sich die Handlung.

Dunkle Motive

Dabei bricht er dieses Mal mit einem zentralen Element seiner vorherigen Werke und verbindet konsequent und ohne Ausnahme Bild und Text. Gab es vorher nicht wenige Bilder, die für sich standen und eine eigene kleine Geschichte erzählt haben, so sind seine Bilder diesmal deutlich handlungsbezogener und erinnern damit in ihrer Gesamtheit mehr denn je an einen Comic oder eine Graphic Novel.

Auch wenn sich an seinem hyperrealistischen Stil nichts geändert hat, passt er seine Bilder an die düstere Geschichte an und verwendet größtenteils dunkle Farben und Motive. Wir sehen die lebensfeindliche neue Erdoberfläche, die mit seltsamen pflanzenartigen Gebilden überzogen ist, aber auch sehr reduzierte Motive (man denke an die Waschbeckenserie!) und verzweifelte Protagonisten. Nur wenig erinnert an die alten farbenfrohen Gemälde, die durch retro-futuristische Elemente begeistert haben. Die Schwere, die Das Labyrinth durchzieht, lässt sogar The Electric State wie eine lebensbejahende Utopie wirken.

Was bleibt?

Stalenhags viertes Werk wird seine Leserschaft sicherlich gespalten zurücklassen. Zu groß ist der Kontrast zu seinen vorherigen Werken, als dass man diesen Band allen bisherigen Fans uneingeschränkt empfehlen könnte.

Mich persönlich konnte das Werk dennoch begeistern und konkurriert sogar mit meinem bisherigen Liebling The Electric State um den ersten Platz. Natürlich müssen wir auf die geliebten Einzelbilder verzichten, dafür werden wir aber mit einer spannenden und düsteren Geschichte belohnt, die dieses Mal perfekt mit den Bildern abgestimmt ist. Für mich ist es immer ein gutes Zeichen, wenn sich ein Autor nicht auf seinen Lorbeeren ausruht und mutig neue Wege beschreitet, die das bisherige Publikum verschrecken könnten. Man darf also gespannt sein, was uns als Nächstes erwartet.

Wunderschönes Hardcover

An der Ausstattung hat sich im Vergleich zu den Vorgängerbänden nicht viel verändert. Es handelt sich wieder um ein großformatiges Hardcover aus dem Fischer TOR Imprint, dass ausreichend Raum für Stalenhags Bilder bietet. Sowohl der stabile und bedruckte Halbleineneinband als auch das bedruckte Papier und die Fadenheftung können überzeugen.

Leider fehlt auch dieses Mal ein Leseband. Die Geschichte hat man zwar in einer guten Stunde durchgelesen, aber gerade zum Markieren bestimmter Bilder hätte sich ein solches als sehr nützlich erwiesen. Auch die Übersetzung von Stefan Pluschkat bietet keinen Anlass zur Kritik, auch wenn ich das aufgrund fehlender Schwedisch-Kenntnisse natürlich nur eingeschränkt beurteilen kann.

Pro/Contra

Pro
  • Handlung und Bilder bilden eine Einheit
  • düsteres Zukunftsszenario atmosphärisch bebildert
Contra
  • der eingeschlagene Weg dürfte nicht jedem Stalenhag Fan gefallen

Fazit


Simon Stalenhag beschreitet mit Das Labyrinth neue Wege und verbindet konsequent Bilder und Handlung zu einer düsteren Zukunftsvision. Lesenswert!

autor: Simon Stalenhag

Titel: Das Labyrinth

Seiten: 152

Erscheinungsdatum: 2022

Verlag: Fischer TOR

ISBN: 9783596706921

übersetzer: Stefan Pluschkat

illustrator: Simon Stalenhag

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2 Kommentare
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Miss Booleana
28.01.2023 20:23

Von Stalenhag möchte ich schon länger was lesen, aber ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Dem Beitrag entnehme ich, dass es vielleicht nicht gerade “Das Labyrinth” sein sollte … was denkst du?
Wobei ich das Buch ja schon sehr interessant finde, v.A. nachdem was ich in deinem Beitrag gelesen habe.