Auf einer Holzoberfläche liegt ein Buch mit dem Titel „The Electric State“ von Simon Stålenhag. Der Buchrücken ist rosa. Auf dem Cover ist ein beschädigter Roboter abgebildet, daneben steht eine Person.

The Electric State

von Simon Stalenhag


19.03.2021

  • Phantastik
  • ·
  • Science-Fiction

Das 2017 erschienene Werk The Electric State des schwedischen Künstlers Simon Stalenhag ist eine Dystopie, die mit einer eindrucksvollen Mischung aus Texten und Bildern zu begeistern weiß und den schwierigen Balanceakt zwischen Ironie, Kritik und Faszination schafft.

Die Menschheit am Abgrund

Die Geschichte spielt in einer Parallelwelt unserer Erde, in der es bereits in den 70er Jahren Drohnen in der Kriegsführung eingesetzt wurden. In einem nicht näher benannten Zeitraum gab es einen oder mehrere große Kriege, die große Schäden am gesamten Planeten hinterließen. Der technologische Fortschritt kam zu einem großen Teil zum erliegen und auch der Lebensraum für Menschen wird immer knapper. In Folge dessen flüchten immer mehr Menschen mithilfe von immer populärer werdenden Virtual Reality Helmen in die digitale Welt, werden abhängig und vernachlässigen sogar die dringlichsten Notwendigkeiten wie Nahrung oder Schlaf. Viele Menschen sterben oder sind ohne Helme gar nicht mehr lebensfähig.

Roadtrip durch eine Welt am Abgrund

In dieser Zeit macht sich die junge Frau Michele mithilfe ihres Roboters Skip auf eine Reise durch das postapokalyptische Amerika, um ihren Bruder zu finden. Aufgrund eines Gendefekts ist sie als einer Minderheit an, die nicht in der Lage ist, die Helmtechnologie zu nutzen und durchlebt ungefiltert den schleichenden Zusammenbruch Amerikas. Hamsterkäufe, Gewalt, Behördenwillkür und einige beunruhigende Verbindungen zwischen Menschen und Drohnen prägen das Bild. Parallel dazu werden immer wieder Zeitzeugenberichte aus der Zeit der Drohnenkriege eingebaut, die nach und nach das Ausmaß der Katastrophe beleuchten.

Großartige Bilder von Simon Stalenhag

Die ganze Geschichte wird dabei von den Bildern Stalenhags geprägt. Er verbindet dabei oft einfache Landschafts- und Stadtbilder mit futuristisch anmutenden Robotern vor einem postapokalyptischen Hintergrund. Oft scheint es so, als ob es sich um Fotos handelt, erst bei genauerem Hinsehen erkennt man das Handwerk. Sowohl Perspektive als auch Motive wechseln oft, mal sieht man die gesamte Szene, mal nur Umrisse aus einem Auto heraus. Sowohl Wüste, als auch Meer spielen eine Rolle und gerade diese Verbindung von Alltagsgegenständen mit futuristischen Elementen übt eine große Faszination aus. Dominant sind allerdings relativ dunkle Bilder, eine ausreichende Beleuchtung beim Lesen ist also notwendig.

Die Geschichte ist relativ kurz, der Textanteil übersteigt kaum den einer Kurzgeschichte, dient aber auch oft nur dazu, die Fantasie des Lesers anzuregen. Im Grunde entspricht die Struktur der Handlung einem klassischen Roadtrip, mehr ist allerdings auch nicht nötig. Die Bilder tun ihr übriges und ein zu langer Text würde den Fokus des Lesers weg von den Bildern rücken. Der Text ist aus der Ich-Perspektive von Michele geschrieben, Dialoge finden nur sehr selten statt und oft befinden wir uns in ihrer Gedankenwelt. Dem Leser wird dabei allerdings nicht alles sofort enthüllt, erst nach und nach erhalten wir Informationen zur Handlung, zu ihren Gefühlen und ihren Motiven.

Keine abwegige Zukunftsvision

Das faszinierende und unheimliche an der Handlung besteht darin, dass das Szenario gar nicht so abwegig erscheint. Bereits seit Jahren werden in Kriegen Drohnen eingesetzt und deren Gebrauch wird in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen. Viel realistischer erscheint aber auch die zunehmende Realitätsflucht und der immer weiter steigende Konsumwahn. Schon heute ist der Großteil der Bevölkerung dem Konsum verfallen, Serien werden gebingt, „soziale Netzwerke“ jeglicher Art gehören zum Alltag und Shopping ist eine anerkannte Freizeitbeschäftigung. Da scheint der Schritt in die totale digitale Abhängigkeit nur eine Krise und eine gute VR-Brille weit weg zu sein.

Schöne Aufmachung, die aber noch Luft nach oben hat

Die Ausgabe des Fischer Tor Verlags ist dem Preis entsprechend angemessen, bietet aber noch Luft nach oben. Der Umschlag ist dick und in rosa Halbleinen gebunden, das Papier ist ausreichend stabil, sodass man beim Umblättern keine Angst haben muss eine Seite einzureißen und die Qualität der Bilder ist hervorragend. Leider fehlt ein Lesebändchen und leider gibt es hier auch nur eine Klebebindung statt einer Fadenheftung, die allerdings recht stabil zu sein scheint.

Pro/Contra

Pro
  • Düsteres und gar nicht so abwegiges Szenario
  • Großartige Bilder
  • Auch die Hintergrundgeschichte kann überzeugen
Contra

Fazit


The Electric State ist ein faszinierendes Werk, das vor allem visuell überzeugen kann. Die hyperrealistischen Bilder von Simon Stalenhag sind fesselnd und auf vielfältige Art und Weise deutbar, die Geschichte funktioniert, und beides Aspekte zusammen hinterlassen ein Werk, das noch lange im Gedächtnis bleiben und sicherlich mehr als einmal gelesen wird.

autor: Simon Stalenhag

Titel: The Electric State

Seiten: 144

Erscheinungsdatum: 2017

Verlag: Fischer TOR

ISBN: 9783596703791

übersetzer: Stefan Pluschkat

illustrator: Simon Stalenhag

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