Auf einer Holzfläche liegt ein rot eingebundenes Buch mit dem Titel „Pique Dame“ von Alexander Puschkin, illustriert von Kat Menschik.

Pique Dame

von Alexander Puschkin


01.04.2022

  • Klassiker

Alexander Puschkin gilt in Russland noch weit vor seinen hierzulande wesentlich bekannteren Landsleuten als der Nationaldichter schlechthin. Nicht zu Unrecht, wie er mit seiner 1834 veröffentlichten Erzählung Pique Dame beweist.

Spiel und Gier

Es ist Winter und in St. Petersburg vertreibt sich der russische Adel seine Zeit mit Kartenspielen, bei denen horrende Geldsummen auf dem Spiel stehen. Auch der deutschstämmige Ingenieur Hermann gehört diesen illustren Abendgesellschaften an. Fasziniert verbringt er ganze Nächte damit, die Spiele zu verfolgen, doch sein Geiz hält ihn davon ab, sich aktiv daran zu beteiligen.

Das soll sich in einer solchen russischen Winternacht ändern, als die Geschichte der betagten Gräfin Fedotowna erzählt wird, die die Gabe besitzen soll, die Karten vorhersagen zu können. Hermann wittert seine Chance und schreckt vor keinem Mittel zurück, um hinter ihr Geheimnis zu gelangen.

In der Kürze … ihr wisst schon …

In Anbetracht der Kürze dieser Erzählung fällt es mir schwer, etwas über Pique Dame zu erzählen, ohne einem potentiellen Neu-Leser die Freude an dieser Geschichte zu nehmen. Ich will es dennoch versuchen, ohne zu viel von der Handlung vorwegzunehmen. 

Pique Dame ist eine äußerst kurzweilige Geschichte über das Spiel und die Gier. Trotz oder gerade wegen ihrer Kürze schafft Puschkin es, den Leser mit seiner Erzählung in den Bann zu ziehen. Als hätte er Hemingway zu seinem Eisbergmodell inspiriert, verwendet er kein Wort zu viel und kein Wort zu wenig. Jeder Satz ist durchdacht und ist so viel mehr als die Summe seiner Worte. Es ist keinesfalls übertrieben, wenn man sagt, dass Puschkin in dieser kurzen Geschichte die Vergangenheit lebendig werden lässt.

Allerdings hatte ich beim Lesen auch den Eindruck, dass jedes weitere Wort den Zauber dieser Geschichte zerstört hätte, da sich beim genaueren Nachdenken doch einige Schwächen offenbaren. Insbesondere an den Handlungsantrieben der Protagonisten ergeben sich erhebliche Zweifel.

Die Schwächen liegen im Detail

Das beste Beispiel ist der Ingenieur Hermann, seines Zeichens immerhin Hauptfigur dieser Erzählung. So ist er an sich eine interessante Figur: Nach außen hin verkörpert er „deutsche“ Tugenden, doch in ihm brodelt eine gefährliche Mischung aus Ehrgeiz und innerer Leere. Dass er sich in einem äußerst labilen Zustand befindet, wird schnell deutlich, aber warum verhält er sich so rücksichtslos, warum brechen bei ihm alle Dämme? Dass Gier ein starkes und schwer bestimmbares Motiv ist, leuchtet mir ein. Allerdings ist er bereits der Erbe eines beträchtlichen Vermögens und ist weder äußeren noch inneren Zwängen ausgesetzt, die ihn zu einem solchen Verhalten zwingen würden. Er ist auch keine geldgierige Figur in der Tradition Balzacs. Letztlich wird nicht klar, warum er sich so verhält.

Auch die anderen Figuren sind im Grunde nur Statisten und bedeutungslos, gerade Lisaweta Iwanowna, die viel Raum in der Erzählung eingeräumt bekommt, dient letztlich im wahrsten Sinne des Wortes nur als Türöffner für Hermann.

Pique Dame bedeutet geheime Missgunst

Gute Unterhaltung, wenn man nicht den Deutschlehrer rausholt

Wenn man darüber hinwegsieht und die Geschichte nicht (wie ich weiter oben) überinterpretiert – immerhin handelt es sich „nur“ um eine Kurzgeschichte und nicht um einen Roman mit dem entsprechenden Raum für solche Gedanken – hat man eine überaus unterhaltsame Kurzgeschichte vor sich, die eine knappe Stunde wunderbare Unterhaltung liefert.

Es handelt sich sicherlich nicht um die beste russische Erzählung, die ich lesen durfte. Angesichts der unfassbar hohen Anzahl qualitativ hochwertiger russischer Geschichten ist dies allerdings auch nicht weiter verwunderlich. Wer einfach nur eine (sehr) gute Geschichte lesen möchte, kommt hier voll auf seine Kosten.

Wieder ein liebevoll illustriertes Buch

Nachdem mich bereits Kat Menschiks wundervolle Adaption von Poes Unheimlichen Geschichten angefixt hat, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich zu einem weiteren Band (der achte um genau zu sein) der von ihr illustrierten Lieblingsbücher Reihe griff. Auch diesmal konnte mich die Buchgestaltung vollumfänglich überzeugen. 

Das Format ist gleichgeblieben, auch der farbige Buchschnitt wurde beibehalten und löblicherweise müssen wir auch nicht auf eine Fadenheftung verzichten. Das Highlight dieses Bandes – wie wohl auch der ganzen Reihe – stellen aber Kat Menschiks Illustrationen dar, die wunderbar auf die Erzählung abgestimmt sind und auf dem Design klassischer Spielkarten basieren.

Im Anhang finden wir noch neben einigen hilfreichen Anmerkungen ein kurzes Nachwort des Übersetzers Alexander Nitzberg, der neben seiner grandiosen Neuübersetzung auf wenigen Seiten mit klaren Worten alles zu dieser Geschichte erzählt, was man wissen muss.

Pro/Contra

Pro
  • Puschkin verwendet kein Wort zu viel und kein Wort zu wenig
  • kurzweilige Geschichte über Spiel und Gier
  • hervorragende Illustrationen von Kat Menschik
Contra
  • bei genauerem Hinsehen offenbaren sich kleinere Schwächen hinsichtlich der Motivation einzelner Charaktere

Fazit


Pique Dame von Alexander Puschkin ist eine kurzweilige und hervorragend geschriebene Geschichte, die jeden Freund der russischen Literatur und der Kurzgeschichte begeistern sollte. Natürlich könnte man diese Geschichte auch günstiger bekommen, dann muss man allerdings auch auf die hervorragenden Illustrationen von Kat Menschik verzichten.

autor: Alexander Puschkin

Titel: Pique Dame

Seiten: 96

Erscheinungsdatum: 1834

Verlag: Galiani Verlag

ISBN: 9783869711980

übersetzer: Alexander Nitzberg

illustratorin: Kat Menschik

Reihe: Illustrierte Lieblingsbücher (8)

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Hosentasche
Hosentasche
02.04.2022 19:23

Das regt zum bestellen an. Sehr angenehm und geistreich geschrieben!

Eugen
Eugen
03.04.2022 15:48
Antwort an  Hosentasche

Vielen Dank!