Sherlock Holmes auf einem Holztisch.

Sherlock Holmes: Das Tal der Angst

von Arthur Conan Doyle


15.03.2024

  • Klassiker

Das Tal der Angst (The Valley of Fear) stellt den vierten und letzten Sherlock-Holmes-Roman aus der Feder von Arthur Conan Doyle dar. Gelingt ihm dabei ein würdiger Abschluss?

Ein Mord in zwei Akten

Unser Ermittler-Duo wurde im Laufe der letzten Jahre mit so einigen ungewöhnlichen Fällen konfrontiert. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass weder eine verschlüsselte Botschaft noch die Involvierung von Scotland Yard das Interesse von Holmes und Watson wecken können. Erst als sich herausstellt, dass Professor Moriarty – der Erzfeind von Sherlock Holmes – in der Sache involviert ist, nimmt unser Meisterdetektiv eigene Ermittlungen auf

Unterstützt von den hoffnungslos überforderten Polizeibehörden begeben sich unsere Helden ins Birlstoner Herrenhaus in Sussex und untersuchen den Mord an John Douglas, einen ebenso reichem wie paranoiden Gutsbesitzer. Und wieder einmal stellen sich die Geschehnisse als wesentlich verworrener dar, als ursprünglich angenommen …

Im zweiten Teil des Romans springt Doyle einige Jahrzehnte in der Zeit zurück (1875) und versetzt uns in das verheißungsvolle Tal der Angst in Pennsylvania. Die Bewohner des Tals leben vom Bergbau und könnten sich eigentlich eines bescheidenen Wohlstandes erfreuen.

Zu ihrem Unglück versetzt jedoch eine Loge mit mafiösen Strukturen die Bewohner in Angst und Schrecken. Ausgerechnet dorthin verschlägt es auch den Falschmünzer Jack McMurdo auf seiner Flucht vor der Polizei. Dank seines Mutes und seiner Auffassungsgabe steigt er innerhalb der Loge rasch auf. Doch wie lange noch kann diese Bande ungehindert ihr Unwesen treiben? Und was hat das Tal der Angst mit dem Mord in Birlstone zu tun?

Der letzte Holmes-Roman

Mit „Das Tal der Angst“ ließ Arthur Conan Doyle 1915 seine zwei berühmten Helden ein letztes Mal in Romanform auftreten – zwischen September 1914 und Mai 1915 wie gehabt zunächst im Strand Magazine, später in Buchform. Ursprünglich wollte er seinen berühmten Helden mit „Das letzte Problem“ in „Die Memoiren“ in den Ruhestand schicken.

Nachdem er 1901 mit „Der Hund der Baskervilles“ große (finanzielle) Erfolge feierte, gestaltete er jedoch 1905 mit „Die Rückkehr“ das Schicksal seiner Hauptfigur um. Dass Moriarty eine kleine Rolle in der Erzählung spielt bedeutet jedoch nicht, dass Doyle weitere Änderungen im Holmes-Kosmos vornahm – er siedelte den Roman einfach zeitlich vor dem Duell der beiden Erzfeinde an.

Zweigliedriger Aufbau

Der zweigliedrige Aufbau des Romans erinnert dabei stark an den ersten Roman “Eine Studie in Scharlachrot“. Der erste (sehr viel kürzere) Teil dreht sich um Holmes Ermittlungen im Mordfall John Douglas, der zweite Teil wirft uns in ein völlig neues Szenario mit lediglich entfernten Bezügen zum vorherigen Geschehen.

Der erste Teil entpuppt als verlängerte Kurzgeschichte und verläuft nach den üblichen Mustern: Holmes und Watson werden mit einem ungewöhnlichen Fall konfrontiert, nehmen die Ermittlungen mit Humor und Behäbigkeit auf und die eine oder andere Wendung sorgt für Überraschungen – nicht zuletzt auch, weil der Erzähler Watson uns immer wieder Informationen vorenthält.

Die Geschichte nimmt im zweiten Teil eine überraschende Wendung. Doyle versetzt uns aus dem viktorianischen England in ein raues Amerika, das von machtgierigen und gewaltbereiten Gestalten beherrscht wird. Er entwirft dabei eine überraschend unterhaltsame kleine Mafia Geschichte, die durch düstere Charaktere, ein lebendiges Szenario, eine spannende Handlung und nur schwer vorhersehbare Wendungen zu überzeugen weiß.

Nur – mit Sherlock Holmes hat das Ganze nur wenig zu tun. Wenn ich diesen Vergleich bemühen darf: Wäre der Roman ein Nahrungsmittel, dann wäre er eine Chips-Tüte mit deutlich mehr Luft als Inhalt. Auch wenn die Geschichte an sich (deutlich mehr noch als der Holmes-Teil) zu überzeugen vermag, fügt sie dem Holmes-Kosmos einfach nichts hinzu und rückt den Roman in die Nähe einer Mogelpackung.

Uninspiriert oder irrelevant

Auch bezüglich der Charaktere lässt sich leider nur wenig Neues sagen. Holmes und Watson stagnieren bereits seit einigen Bänden, und so bleibt Watson lediglich die Rolle als stummer Bewunderer, während Holmes ungehemmt glänzen und spotten darf. Auch hier taucht eine hoffnungsvolle neue Figur auf (Inspektor Alec MacDonald von Scotland Yard), nur um dann schnell wieder in den Hintergrund zu rücken.

Auch der Versuch, Moriarty auf Biegen und Brechen in die Handlung zu integrieren, wirkt lediglich wie ein verzweifelter Versuch, dem Roman einen Anstrich von Relevanz zu verleihen. Ich bin mir sicher, dass dieser Roman ohne die zwei oder drei Erwähnungen von Moriarty eine noch kleinere Rolle im Holmes-Universum spielen würde, als er es ohnehin schon tut.

Der zweite Teil hingegen kann mit vielen interessanten Charakteren glänzen, profitiert aber auch von den uninspirierten Leistungen des ersten Teils. So ist etwa die Hauptfigur McMurdo auf seine Art Holmes mindestens ebenbürtig und sorgt mit seiner direkten Art für frischen Wind – allerdings gilt hier das gleiche wie oben: Nur mit viel Wohlwollen kann man ihn zum Holmes-Kosmos zählen.

Angenehmer Schreibstil

Stilistisch bewegen wir uns in gewohnten Fahrwassern: Es gibt hier weder komplizierte Satzkonstruktionen noch (heutzutage) unverständliche Anspielungen, und mit exotischen Begriffen wird man auch nicht überschüttet (in den seltenen Ausnahmefällen schafft der kurze Anhang Abhilfe). Kurzum: Zeitlose und gut lesbare Geschichten für jedermann und jederfrau, die auch heute noch sehr angenehm zu lesen sind.

Was bleibt?

Das Tal der Angst von Arthur Conan Doyle ist alles in allem ein enttäuschend belangloser und durchschnittlicher Roman. Während der erste Teil eine bessere Kurzgeschichte darstellt, weiß der zweite Teil deutlich besser zu gefallen – nur was das Ganze mit Holmes zu tun haben soll, erschließt sich mir einfach nicht.

Es bleibt dabei: Kurzgeschichten und Holmes passen einfach besser zusammen. Von den vier Holmes-Romanen hat mich unterm Strich nur Der Hund der Baskervilles wirklich überzeugen können. Das Tal der Angst würde ich daher auch nur Holmes-Fans ans Herz legen, alle anderen sollten (zunächst) zu einem früheren Werk greifen und allenfalls der Vollständigkeit halber einen Versuch wagen.

Schöne Geschenkausgabe

Treue Leser dürfte nicht überraschen, dass auch dieser Band aus der Sherlock-Holmes-Reihe des Coppenrath Verlages durch ein ansprechendes Äußeres überzeugen kann. Neben dem klassisch gestalteten Buchrücken können dabei wieder einmal die zahlreichen Illustrationen, das Leseband und ein stimmiges Gesamtkonzept überzeugen. Auch diesem Band liegen zahlreiche mit Liebe zum Detail gestaltete Gimmicks bei. Und auch wenn mir persönlich nicht fehlen würde, wenn man sie wegließe, so richten sie jedenfalls keinen Schaden an.

Der Anhang enthält eine kurze Abhandlung über Arthur Conan Doyles Leben und ein kurzes und interessantes Glossar. Leider beweist der sonst um politische Korrektheit bemühte Coppenrath Verlag wieder einmal seine Doppelmoral. Der Übersetzung liegt eine Fassung aus dem Jahre 1926 zugrunde, die dann von Claudia Pastors überarbeitet wurde – allerdings sieht man es nach wie vor scheinbar nicht ein, die eigene Arbeitsgrundlage zu nennen und damit Wertschätzung für vergangene Arbeit auszudrücken – schwache Leistung.

Pro/Contra

Pro
  • Unterhaltsamer 2. Abschnitt des Romans
  • Angenehmer Schreibstil
  • Schöne Geschenkausgabe
Contra
  • Der 2. Abschnitt hat nur wenig mit dem Holmes-Kosmos zu tun
  • Die Figuren Holmes und Watson stagnieren
  • Enttäuschend durchschnittlich

Fazit


Das Tal der Angst von Arthur Conan Doyle ist ein alles in allem enttäuschend durchschnittlicher Roman, der nur wenige kosmetische Verbindungen zum Holmes-Kosmos aufweist. Neueinsteiger sollten unbedingt zu einem anderen Band greifen, Fans sollten zumindest Vorsicht walten lassen.

autor: Arthur Conan Doyle

Titel: Sherlock Holmes: Das Tal der Angst

Seiten: 270

Erscheinungsdatum: 1915

Verlag: Coppenrath Verlag

ISBN: 9783649646051

übersetzerin: Unbekannt

illustratorin: Stefanie Bartsch

Reihe: Sherlock Holmes (6)

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Michael Mittelhaus
16.03.2024 11:45

Hallo Eugen,
das »Tal der Angst« von Sir Conan Doyle kannte ich noch nicht. Allerdings scheine ich da auch nichts versäumt zu haben 🙂
Ich hab drei Bände Sherlock Holmes, britische Ausgaben. Aber die Ausgaben, die Du hier vorstellst, sind so schmuck, das könnte mich verleiten,die dazu zu kaufen.
Uebrigens: Was hältst du von der »Study in Scarlet«? Ist die nicht ähnlich gut, wie der Baskerville Hund?

Eugen
23.03.2024 10:01

Hallo Michael,

Die Ausgaben sind tatsächlich sehr hübsch – schade, dass der Coppenrath Verlag nicht noch mehr “kleinere” Klassiker-Ausgaben produziert!

Meiner Meinung nach sind Study in Scarlet und Das Tal der Angst ähnlich gut/schlecht. Beide Romane ähneln sich im Aufbau sehr stark. Das Tal der Angst hat dabei die wesentlich spannendere Hintergrundgeschichte, Die Study in Scarlet profitiert hingegen davon, dass viele Aspekte (bei einer chronologischen Lesereihenfolge) noch frisch und unverbraucht sind.