Der Löwe von Tiberias
von Robert E. Howard
07.10.2022
- Fantasy
In Der Löwe von Tiberias versammelt der Festa Verlag die bekanntesten historischen Abenteuergeschichten von Robert E. Howard. Doch sind die Geschichten des Pulp-Schriftstellers immer noch zeitgemäß?
Abenteuer auf loser historischer Grundlage
Die Kurzgeschichtensammlung beginnt dabei mit Die Speere von Clontarf. Howard verarbeitet in dieser Geschichte die Schlacht von Clontarf, in der Brian Boru im Jahre 1014 den Versuch unternahm, Irland unter seiner Herrschaft zu vereinigen. Die von Intrigen und Verschwörungen durchzogene Schlacht erleben wir hauptsächlich aus der Perspektive des einfachen Kriegers Conn, auch wenn wir hin und wieder einen Blick in die Köpfe anderer historisch relevanter Persönlichkeiten werfen dürfen.
Falken über Ägypten basiert hingegen nur auf losen historischen Grundlagen und führt uns nach Kairo. Der damalige Herrscher Al-Hakim bi-amri ´llah schränkte die Freiheiten der Ägypter immer weiter ein und schuf ein Klima des Misstrauens und der Angst. Ausgerechnet zu dieser Zeit führt unseren Protagonisten Diego de Guzman ein persönlicher Rachefeldzug in die Hauptstadt…
Die Straße von Azrael stellt eine der letzten historischen Geschichten Howards überhaupt dar. Erzähler ist der junge Kosru Malik, der, um eine lange zurückliegende Schuld zu begleichen, den fränkischen Ritter Sir Eric de Cogan das Leben rettet und so in ein blutiges Abenteuer gegen sein eigenes Volk verwickelt wird. Die titelgebende Geschichte Der Löwe von Tiberias ist zugleich die wohl brutalste Geschichte des Bandes und schildert eine jahrzehntelang andauernde Fehde, die in den Konsequenzen für die Figuren und ihrem zu ertragenden Leid nicht nur innerhalb dieses Bandes ihresgleichen sucht.
Die Tore zum Königreich schlägt einen vollkommen anderen Tonfall an und entpuppt sich beinahe schon als Komödie. Giles Hobsons, geborener Lügner und Trunkenbold, muss aufgrund eines entglittenen Streiches fliehen und verstrickt sich auf seiner Flucht in immer mehr Lügen und Ausflüchte, die ihn schließlich zu einer Schlüsselfigur im Kampf zwischen Kalifen und Kreuzrittern machen. Die abschließenden Geschichten Die Falken von Outremer und Das Blut von Belshazzar teilen sich den Protagonisten Cormac FitzGeoffrey, wohl einem Vorläufer des berühmten Helden Conan, der sich im Orient ob seiner ruppigen Art zahlreiche Feinde macht.
Ein kurzes und produktives Schreiberleben
Robert E. Howard wurde 1906 in Texas als Sohn des Landarztes Isaac Mordecai Howard und der Hausfrau Hester Jane geboren. Seine Familie zog aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Vaters oft um, sodass seine Mutter zeit seines Lebens seine wichtigste Bezugsperson bleiben sollte, die auch sein Interesse am Schreiben förderte. Nach seinem Schulabschluss ging er wenig erfolgreich zahlreichen Gelegenheitsjobs nach, bis er schließlich von seinen Veröffentlichungen leben konnte. Nachdem seine Mutter unheilbar ins Koma fiel, nahm er sie im Alter von nur dreißig Jahren das Leben.
Sein Name wird wohl für alle Zeiten mit seinem berühmtesten Helden Conan verbunden bleiben, der spätestens durch die Verfilmungen mit Arnold Schwarzenegger zur Kultfigur aufstieg und als Wegbereiter des Subgenres Sword and Sorcery gilt. Dass er darüber hinaus ein überaus produktiver und vielseitiger Schriftsteller war, ist wohl nur den wenigsten bekannt.
Robert E. Howard blieb als Kind seiner Zeit keine andere Möglichkeit, vom Schreiben leben zu können, als möglichst viele Geschichten zu schreiben und zu verkaufen. Angelehnt an seinen persönlichen Interessen veröffentlichte er folglich nicht nur Fantasy Geschichten um bekannte Helden wie Conan, Kull, Solomon Kane oder Red Sonja, sondern auch Horror-, Western-, Boxer- und nicht zuletzt auch einige „historische“ Erzählungen.
Rassistische Züge?
Viele Stimmen werfen Robert E. Howard rassistische Züge vor und nicht wenige Arbeiten beschäftigen sich mit diesem Thema. Ob sich diese etwaigen Züge mit seiner Abstammung (Texas) erklären lassen oder ob er tatsächlich ein Rassist war, kann zumindest bezüglich dieses Buches dahinstehen. Hier lassen sich keine Spuren von Rassismus finden, Howard lässt in diesen Geschichten Protagonisten verschiedenster Nationen und Religionen auftreten und weder bevorzugt noch benachteiligt er eine dieser Gruppierungen.
Ein geradliniger Schreibstil
Beim Lesen der Geschichten muss man sich immer wieder vor Augen halten, dass sie zum größten Teil in Pulp Magazinen erschienen und Howard zahlreiche Anpassungen vornehmen musste, um überhaupt veröffentlicht werden zu können. Was an sich keine gute Ausgangsbasis zu sein scheint, könnte sich – ohne dies belegen zu können – als positiv für uns Leser erwiesen haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Abenteuergeschichten konnte Howard sich nicht erlauben, zu schwafeln oder seine Geschichten mit „überflüssigen“ Informationen zu füllen.
Es ist nicht so, dass ich sprachliche Feinheiten nicht zu schätzen weiß, aber bei Abenteuergeschichten habe ich in erster Linie die Erwartung, dass ich unterhalten werde und brauche keine verdeckten Anspielungen oder Bilder, die die Belesenheit des Autors unterstreichen (Ich meine dich, Herman Melville!). Howards Geschichten zeichnen sich durch eine Geradlinigkeit aus, die den Leser in einem hohen Tempo durch das Geschehen führen, ohne je ins skizzenhafte zu verfallen und die durchaus auch die eine oder andere bildhafte Darstellung enthalten.
Die Pulp Wurzeln sind unverkennbar
Auch wenn sich Howard mit seinen Pulp-Geschichten deutlich über dem Niveau von Heftromanen bewegt, so können wir seine Wurzeln nicht verleugnen. Seine Geschichten folgen oft dem gleichen Muster: Im Mittelpunkt steht immer ein muskelbepackter und großer einsamer Wolf, der seinem Umfeld überlegen ist und seine Probleme mit dem Schwert löst. Uns Leser nervt es irgendwann nur noch, wenn wirklich jeder Protagonist ausführlich als besonders groß, muskulös und außergewöhnlich stark beschrieben wird. Ich habe überhaupt nichts gegen diese Art von Geschichten, aber wenn der Autor dauerhaft mit Superlativen um sich wirft, dann verlieren sie mit zunehmender Häufigkeit ihre Wirkung.
Einige Geschichten brechen aus diesem Muster aus
Dies gilt glücklicherweise nicht für alle Geschichten, positive Ausnahmen stellen dabei beispielsweise Der Löwe von Tiberias oder Die Tore zum Königreich dar. Besonders Letztere stellt einen Helden in den Mittelpunkt, der so ziemlich das Gegenteil eines Conan darstellt und kann durch viele witzige Einlagen überzeugen. Auch die beiden letzten Geschichten um Cormac FitzGeoffrey gehören zu dieser Gruppe. Rein äußerlich unterscheidet er sich nicht sonderlich vom klassischen Prototyp eines Howard-Helden, allerdings wirkt seine Hintergrundgeschichte um einiges ausgefeilter als bei den restlichen Figuren.
Auch muss man Robert E. Howard zugutehalten, dass er wirklich gut darin ist, Kämpfe und Schlachten zu beschreiben, sodass auch die Passagen mit den immer gleichen Helden einen gewissen Unterhaltungswert bieten – nur bitte nicht am Stück.
„Historisch“ dient nur der Abgrenzung
Auch beim Stichwort „historisch“ bedarf es einer Korrektur der Erwartungshaltung. Wir dürfen nicht erwarten, dass jedes Ereignis auf festen historischen Grundlagen beruht. Vielmehr bilden historische Ereignisse nur eine Art Rahmen, innerhalb dessen sich Howard recht frei bewegt. Das Label Historische Geschichten dient vor allem wohl zur Abgrenzung zu seinem Restlichen, insbesondere phantastischen Werk.
Überraschend unterhaltsam
Alles in allem muss ich sagen, dass mich Der Löwe von Tiberias überzeugt hat. Ich wusste vorher nicht recht, was mich bei Howard erwarten würde und war überrascht, was für ein guter Erzähler er tatsächlich ist. Natürlich können nicht alle Geschichten begeistern, aber das lässt sich wohl über die meisten Kurzgeschichtensammlungen sagen. Man darf natürlich keine literarischen Meisterwerke erwarten, aber gute Unterhaltung bietet Howard in jedem Fall. Mich hat diese Sammlung jedenfalls neugierig gemacht auf weitere Geschichten aus seiner Feder.
Gelungene Aufmachung und informatives Nachwort
Rein äußerlich kann das Buch aus dem Festa-Verlag in weiten Teilen überzeugen. Der Pappeinband ist mit einer leinenartigen Textur überzogen, die ein Stück weit den neuen Manesse Bänden ähnelt und darüber hinaus mit Goldprägungen verziert ist. Der Schutzumschlag weist eine lederartige Kaschierung auf, die eine deutlich höhere Stabilität als gewöhnliche Schutzumschläge aufweist und dem Buch eine hochwertige Haptik verleiht. Das abgedruckte Umschlagbild des Illustrators Timo Wuerz entspricht in keinster Weise der hochwertigen Aufmachung, aber das ist bekanntlich Geschmackssache. Auch wenn wir auf eine Fadenheftung verzichten müssen, so dürfen wir uns immerhin über ein Leseband freuen. Deutlich besser gelungen als der Umschlag sind die zweiseitigen Innenillustrationen, die ebenfalls von Timo Wuerz stammen und jeder Geschichte vorangestellt sind.
Das umfangreiche Nachwort des Übersetzers Klaus Schmitz kann nur als gelungen bezeichnet werden. Schmitz geht mal mehr und mal weniger tief in die historischen Hintergründe der Geschichten ein und verwebt diese mit Informationen zur Publikationsgeschichte. Auch erwähnt er die Rassismus Vorwürfe, auch wenn dieser Abschnitt mangels Relevanz für diese Geschichten kurz ausfällt.
Im Weiteren finden wir noch einige Fragmente von Howard, die für den reinen Leser naturgemäß wenig ergiebig sind, Howard Interessierten jedoch interessante Einblicke in seinen Werkprozess verschaffen.
Bibliographie
Pro/Contra
Pro
- geradlinig erzählte Geschichten, Howard neigt nicht zum Schwafeln
- Die Abenteuergeschichten tun genau das, was sie sollen: Unterhalten
Contra
- einige Geschichten/Figuren wirken geradezu beliebig und austauschbar
- stellenweise musste sich Howard den vermeintlichen Ansprüchen der Pulp-Leserschaft beugen
Fazit
Wer unterhaltsame Abenteuergeschichten sucht und keinen Wert auf historische Genauigkeit legt, wird mit den in Der Löwe von Tiberias enthaltenen Geschichten fündig werden.
autor: Robert E. Howard
Titel: Der Löwe von Tiberias
Seiten: 430
Erscheinungsdatum: 1931 – 2005
Verlag: Festa Verlag
ISBN:
übersetzer: Klaus Schmitz
illustrator: Timo Wuerz