Das Herz der Sonne
von Brandon Sanderson
09.02.2024
- Phantastik
- ·
- Science-Fiction
Das Herz der Sonne von Brandon Sanderson stellt einen weiteren Band der erfolgreichsten Kickstarter-Kampange aller Zeiten (Secret Projects) dar und richtet sich vor allem an Fans der Sturmlicht-Chroniken. Doch ist dieser Band darüber hinaus auch für Neueinsteiger geeignet?
Gestrandet auf einem lebensfeindlichen Planeten
Der Weltenwanderer Nomad befindet sich auf der Flucht vor der mächtigen Nachtbrigade und strandet auf dem Planeten Canticum. Zu geschwächt, um den Planeten sofort wieder verlassen zu können, wird er schon nach kurzer Zeit in einen Konflikt zwischen dem örtlichen Tyrannen und der fliegenden Rebellen-Stadt Biike hineingezogen.
Und als wäre dies alles noch nicht genug, entpuppt sich Canticum als absolut lebensfeindlicher Planet. Die Sonnenstrahlen auf diesem Planeten löschen bei der kleinsten Berührung sämtliches Leben aus, und so befindet sich der ganze Planet ununterbrochen auf der Flucht vor der Sonne.
Wird Nomad die Flucht von diesem tödlichen Planeten gelingen? Und auf welche Seite des Konflikts muss er sich dazu schlagen?
Für Fans der Sturmlicht-Chroniken
Nachdem ich mich vor wenigen Wochen mit „Weit über der smaragdgrünen See“ an einen Brandon Sanderson Roman gewagt hatte und dafür mit einer überaus unterhaltsamen Lektüre belohnt wurde, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich mich erneut einem Werk dieses überaus produktiven Schriftstellers widmen sollte.
„Das Herz der Sonne“ entstammt ebenso wie sein Vorgänger dem erfolgreichsten Kickstarter Projekt aller Zeiten (Secret Projects). Und ebenso wie sein Vorgänger ist auch dieser Band im Kosmeer-Universum angesiedelt – einem umfangreichen und mehr oder weniger stark verbundenen Romanuniversum, in dem Sanderson die meisten seiner Erzählungen ansiedelt.
Während „Weit über der smaragdgrünen See“ jedoch auch für Neueinsteiger problemlos geeignet ist, stellt „Das Herz der Sonne“ Sanderson-Neulinge vor einer Reihe von Problemen. Nicht nur, dass die zahlreichen Anspielungen und Easter Eggs wohl nur Fans der Sturmlicht-Chroniken verstehen dürften.
Noch viel mehr fällt ins Gewicht, das sich Sanderson zahlreicher wichtiger Elemente der Sturmlicht-Chroniken bedient und diese beim Leser als bekannt voraussetzt. Dies gilt insbesondere für das Magiesystem, dass eine tragende Rolle in der Handlung einnimmt. Natürlich handelt es sich dabei um keine Raketenwissenschaft und ein geübter Fantasy-Leser wird sich das System in groben Zügen selbst erschließen können. Aber bis das geschieht, vergehen einige Seiten, die das Lesevergnügen doch deutlich trüben.
Unterhaltsame und überzeugende Welt
Dass wir den Roman nach und während dieser Eingewöhnungsphase dennoch genießen können, liegt vor allem daran, dass dieser Roman in einer futuristischen Version seiner Welten angesiedelt ist – und damit zu einer Zeit, in der noch nicht einmal die Hauptserie angelangt ist. Der Vorsprung der Stammleser ist demnach nur begrenzt.
Und wie schon bei meiner ersten Begegnung mit Sanderson erinnert mich sein Ideenreichtum ein Stück weit an Jack Vance. Dieser Vergleich scheitert eigentlich schon an der Tatsache, dass Jack Vance seine Welten niemals erklären würde, während Sanderson seinen Lesern jedes Detail erläutert. Dennoch teilen die beiden ihre Vorliebe für das Ersinnen von im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen Welten, die an jeder Ecke mit interessanten Aspekten locken.
Dazu reicht es alleine schon, sich die Ausgangssituation zu vergegenwärtigen: Sanderson wirft uns unvermittelt auf einen absolut lebensfeindlichen Planeten, in dem Sonnenstrahlen den sofortigen Tod verheißen und auf dem sich dennoch viele verschiedene Lebewesen und Gruppierungen tummeln.
Natürlich haben sich die Bewohner des Planeten so einiges einfallen lassen, um diesem lästigen Umstand trotzen zu können. So leben alle Menschen rund um die Uhr auf Raumschiffen, die sich bei Bedarf zu größeren Städten zusammenschließen lassen und haben darüber hinaus eine Möglichkeit gefunden, Nahrungsmittel anzubauen.
Sanderson verwendet dabei relativ viel Zeit darauf, die technischen und physikalischen Hintergründe der tödlichen Sonne und des menschlichen Erfindungsgeistes zu erläutern. Ob das alles dabei wirklich nachvollziehbar ist oder ob es sich nicht doch um hanebüchenen Unsinn handelt, kann ich leider nicht beurteilen – das sollen in dieser Hinsicht besser beschlagene Leser entscheiden.
Und auch wenn die Science-Fiction Elemente eindeutig überwiegen, kommt auch der Fantasy-Anteil nicht zu kurz – etwa, wenn es um die grausame Gewinnung von Energie (Sonnenherzen) oder das Magiesystem geht. Kurzum – es handelt sich um eine überaus interessante Welt, bei der man sich als Leser wünscht, noch länger dort verweilen zu dürfen und die zahlreichen Abzweigungen zu betreten, die der Autor immer wieder andeutet – und das erinnert wiederum doch stark an das Worldbuilding eines Jack Vance.
Western mit Sci-Fi Elementen
Da fällt es auch nicht allzu schwer ins Gewicht, das der Plot nicht sonderlich innovativ wirkt: Ein abgehalfterter Held kommt in ein heruntergekommenes Dorf, freundet sich mit den Bewohnern an und hilft ihnen beim Kampf gegen den örtlichen Tyrannen.
Lässt man die Science-Fiction Elemente weg, so fühlt man sich nicht von ungefähr an einen alten Western erinnert. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser vertrauten Struktur ist, dass sie hilft, den Roman trotz aller Schwierigkeiten und Anspielungen genießen zu können.
Hohes Erzähltempo …
Die Geschichte weist dabei ein geradezu absurd hohes Erzähltempo auf. Nicht nur, dass die Handlung nur wenige Tage umfasst. Sanderson gibt uns als Leser keinerlei Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. Nahtlos reiht er Actionszene an Actionszene und in den seltenen Pausen wird man mit Informationen überhäuft. So vergeht die Zeit wie im Fluge – erstaunlich für ein Buch, dass nicht außergewöhnlich viele Dialoge aufweist.
… unter dem die Charaktere leiden
Opfer dieses Erzähltempos und des begrenzten Zeitraums sind in erster Linie die Charaktere. Wir haben einfach zu wenig Zeit, um sie alle kennenlernen zu können und noch viel weniger, um Entwicklungen oder Ähnliches feststellen zu können.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Figur Nomad. Nomad besitzt magische Kräfte und ist theoretisch dazu in der Lage, ganze Welten zu durchqueren. Dummerweise hat er mit seinem Sprung auf den Planeten all seine Kräfte verbraucht und steht nun vor einer schwierigen Entscheidung: Soll er eine Kraftquelle suchen und einfach verschwinden oder den hilfsbereiten Bewohnern der Stadt Biike helfen? Dabei werden beständig Anspielungen auf seine Person gemacht, die man als Neueinsteiger gar nicht verstehen kann und die demnach zumindest bei mir ins Leere laufen.
„Gerettet“ wird diese Figur durch eine interessante Eigenschaft. Aufgrund der (nicht erläuterten) Besonderheiten des Magiesystems ist er weder dazu in der Lage, Menschen zu verletzen noch Waffen zu benutzen. Für einen Außenseiter, der in einen bewaffneten Konflikt gerät ein äußerst ungünstiger Umstand – der aber für uns als Leser einige unterhaltsame Situationen bereithält.
Begleitet wird Nomad von Auxilium, eine Art Werkzeug, das in Nomads Verstand wohnt und sich äußerlich zu jedem beliebigen Gegenstand manifestieren kann. Auxilium ist aber nicht nur Werkzeug, sondern besitzt auch eine eigene und eigenwillige Persönlichkeit. So kommt es immer wieder zu höchst humorvollen Buddy-Szenen, die das ganze Geschehen auflockern.
Nebenfiguren sind en masse vorhanden, erhalten aber in den seltensten Fällen so viel Raum, dass sie einer Erwähnung wert wären. Auch der Antagonist dieses Bandes – der Zunderkönig – ist nicht wirklich gut ausgearbeitet und wirkt so, als sei er einem B-Movie entnommen worden. Aber auch hier gilt: Wirklich wichtig wäre eine genaue Ausarbeitung so oder so nicht geworden, von daher kann man diesen Umstand getrost verkraften.
Was bleibt?
Das Herz der Sonne von Brandon Sanderson ist ein solider Roman, der sich in erster Linie an Fans der Sturmlicht-Chroniken richtet. Wer bereits Vorkenntnisse besitzt, wird mit einer temporeichen und actionreichen Geschichte belohnt, die die Wartezeit zum nächsten Sanderson-Abenteuer verkürzt.
Neueinsteiger können die Geschichte ob des gefälligen Schreibstils und Ideenreichtums auch genießen, müssen aber einige Abstriche beim Verständnis machen und sich erstmal in der Welt von Sanderson zurechtfinden.
Solides Hardcover
Die mir vorliegende Ausgabe stammt aus dem Heyne Verlag und kann durch eine solide Verarbeitung überzeugen. Der Pappeinband selbst hat eine leicht strukturierte Oberfläche und ist mithilfe einer Klebebindung mit dem Buchblock verbunden. Darüber hinaus dürfen wir uns auch verzierter Kapitelanfänge erfreuen und das von Ernanda Souza illustrierte Vorsatz- bzw. Nachsatzpapier bewundern.
Leider müssen wir bei dieser Ausgabe auf das Originalcover verzichten. Die deutschsprachige Gestaltung reiht sich zwar nahtlos in das Design der Sturmlicht-Chroniken ein, ist aber dem Original hoffnungslos unterlegen. Im Anhang finden wir schließlich noch ein kurzes Nachwort des Autors, in dem er seine Beweggründe in aller Kürze erläutert. Die Übersetzung stammt von Michael Siefener.
Pro/Contra
Pro
- Zahlreiche Easter Eggs für Stammleser
- Faszinierendes Worldbuilding
- Temporeiche Erzählung
Contra
- Zahlreiche Easter Eggs für Stammleser
- Neueinsteiger müssen zu Beginn einige Hürden überwinden
Fazit
Das Herz der Sonne von Brandon Sanderson ist ein unterhaltsamer Fantasy-Roman, der durch Tempo und Witz überzeugen kann. Für Sanderson-Fans ein Muss, Neueinsteiger sollten vorher entweder die Sturmlicht-Chroniken begonnen haben oder Erfahrungen im Fantasy-Genre aufweisen.
autor: Brandon Sanderson
Titel: Das Herz der Sonne
Seiten: 462
Erscheinungsdatum: 2024 (2023)
Verlag: Heyne Verlag
ISBN: 9783453274402
übersetzer: Michael Siefener
illustratorIn: –
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt