Auf einer Holzfläche liegt ein Buch mit dem Titel „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen. Auf dem Einband sind violette und blaue Blumen abgebildet.

Stolz und Vorurteil

von Jane Austen


22.09.2023

  • Klassiker

Liebesgeschichten gehören seit jeher zu den Verkaufsschlagern in den Buchhandlungen dieser Welt. Ein Roman sticht hervor, übersteht er doch seit mittlerweile zwei Jahrhunderten jeden Trend und gehört zum Lesekanon verschiedenster Generationen: Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Doch was macht diesen Roman so besonders?

Irrungen und Wirrungen

Das Leben der Familie Bennet wird von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt, als mit Charles Bingley und Fitzwilliam Darcy zwei junge, vermögende und vor allem unverheiratete Männer das Nachbaranwesen beziehen.

Schon bald hat es die ganze Nachbarschaft auf den charmanten Bingley abgesehen. Und tatsächlich gelingt es der ältesten Bennet-Tochter, Jane Bennet, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Darcy hingegen wird trotz seines beachtlichen Vermögens allenfalls toleriert, gilt er doch ob seiner Zurückhaltung und Kühle als arrogant und unnahbar.

Elisabeth Bennet, die zweitälteste der insgesamt fünf Bennet-Schwestern, sieht sich ihrerseits zahlreicher Avancen ausgesetzt. Die erscheinen wirtschaftlich lukrativ, widersprechen ihrem Herzen jedoch zutiefst. Wird sie zu ihrem Glück finden oder erliegt auch sie allgegenwärtigen Krankheiten wie Stolz und Vorurteil?

Gegen alle Konventionen

Auch wenn ich einer gut geschriebenen Liebesgeschichte nicht abgeneigt bin – zu meiner ersten Wahl gehören Liebesgeschichten nicht. So hat es einige Zeit gedauert, bis ich mich an ein Werk von Jane Austen gewagt habe. Völlig zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte.

Austen führte ein interessantes Leben. Als Tochter eines Geistlichen wuchs sie in keineswegs bescheidenen, aber nicht in höchsten gesellschaftlichen und finanziellen Kreisen auf. Trotz dieser eher durchschnittlichen Startbedingungen muss es sich bei der Familie Austen jedoch um eine bemerkenswerte Familie gehandelt haben. So stieg nicht nur Jane im Laufe der Jahre zu einer gefeierten Autorin auf. Auch zwei ihrer Brüder gelang der Sprung zu Admirälen der Royal Navy.

Janes Schreibtalent zeigte sich bereits in jungen Jahren. So schrieb sie 1979 einen Vorläufer von Stolz und Vorurteil unter dem Titel First Impressions, der lange Zeit unveröffentlicht blieb. Nach einigen Überarbeitungen folgte erst 1813 die erste Druckfassung, die finanziell ein großer Erfolg wurde. Was macht dieses Werk über die Jahrhunderte hinweg so erfolgreich?

Mehr als nur Klatsch und Tratsch

Es ist eine Tatsache, über die sich alle Welt einig ist, dass ein alleinstehender Mann mit einigem Vermögen unbedingt auf der Suche nach einer Lebensgefährtin sein muss

S. 6

Mit diesem in die Literaturgeschichte eingegangenen Satz beginnt Austens wohl berühmtestes Werk. Doch genau wie viele andere Aspekte in diesem Werk darf man die oberflächliche Aussage nicht für bare Münze nehmen. Es handelt sich keineswegs um eine Geschichte aus der Perspektive eines vermögenden Junggesellen. Stattdessen tauchen wir ab in das Leben der Familie Bennet: einer Familie vom niederen Adel und mit begrenzten finanziellen Ressourcen.

Thema Nummer eins in einer Liebesgeschichte ist natürlich die Partnerwahl. Wobei der Aspekt der Wahl in der Familie Bennet eigentlich eine untergeordnete Rolle spielen sollte. Eigentum war zu ihrer Zeit ein Recht, das nur Männern zustand und ausschließlich in männlicher Linie weitergegeben werden konnte.

Für die Familie Bennet, die zwar mit fünf Töchtern, aber ohne einzigen Sohn gesegnet wurde, eine bedrohliche Situation: Stirbt der Vater, so fällt das gesamte Vermögen der Familie an einen entfernten Verwandten. Die Schwestern stünden mittellos auf der Straße. Angesichts dieser existenziellen Bedeutung ist es kein Wunder, dass dieses Thema einen entsprechenden Stellenwert im Haushalt hatte.

Folglich finden wir uns auf den ersten Blick in einer klassisch anmutenden Situation wieder: Junge Frauen treffen junge Männer, die ganze Bandbreite an Gefühlen wird auf- und abgespielt. Und jedes vorstellbare Drama nimmt seinen Lauf.

Prägende Leitmotive sind – welche Überraschung – Stolz und Vorurteil, die sich gesellschaftlich und individuell in unterschiedlichsten Formen wiederfinden lassen. Herkunft und Stand bedeuten alles, und so schaut noch der geringste Aquarienbewohner verächtlich auf das Goldfischglas herab. Frauen dienen der Zierde und Männer der finanziellen Absicherung. Gefühle und gegenseitiger Respekt sind allenfalls wünschenswerte Nebenprodukte. Soweit, so erwartbar. Doch worin liegt nun der Reiz dieser Geschichte?

Starke Hauptfigur

Vorwiegend in der Durchbrechung vorgefertigter Muster mithilfe zweier Kniffe: Zum einen handelt es sich bei Elisabeth Bennet um eine beinahe schon feministisch anmutende Hauptfigur. Wenn man die damaligen Maßstäbe zugrunde legt. Natürlich wagt es Austen nicht, ihre Hauptfigur unverheiratet enden zu lassen – Bücher müssen schließlich verkauft werden. Ein Schicksal, welches die Autorin für sich selbst auserkoren hat.

Allerdings ist Lizzy in vielen Aspekten sehr fortschrittlich. Nicht nur, dass sie diverse wirtschaftlich rentable Anträge ausschlägt. Sie wagt es sogar, eigene Gedanken zu haben und diese dann auch noch (in der Öffentlichkeit!) zu äußern. Austen ist eine charismatische junge Heldin gelungen, die sich nicht scheut, für ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse einzutreten. Und die spielerisch die Herzen der Leserschaft gewinnt.

Scharfzüngige Erzählerin

Zum anderen erweist sich Austen als geschickte Erzählerin mit einem scharfen Auge für gesellschaftliche Missstände. Und der Bereitschaft, diese anzuprangern. Ihre Sätze triefen geradezu vor Ironie. Man kann sich leicht vorstellen, wie viel Spaß sie dabei hatte, die realen Umstände nur geringfügig zu überhöhen. Und damit dennoch das gesamte Szenario ins Absurde zu führen.

Die Geschichte liest sich erstaunlich modern. Dem Text liegt die uralte, aber überarbeitete, Übersetzung von Katrin von Schwab zugrunde. Doch an relativ lange Sätze und altertümliche Begriffe kommt man auch in dieser Fassung nicht vorbei.

Geteiltes Bild bei den Protagonisten

Auch die Charaktere sind Ausdruck dieser beiden Elemente. Zwar gibt es wunderbar ausgearbeitete Charaktere wie Elisabeth oder Darcy, die Entwicklungen durchlaufen und heute noch unser Interesse wecken.

Daneben kann der Roman mit einer Reihe von skurrilen und liebenswerten Nebenfiguren brillieren. Die zwar nicht wirklich ausgearbeitet wurden, aber in ihren begrenzten Rollen voll aufgehen und Austens Welt erst lebendig machen. Sie alle aufzuzählen würde den Umfang dieser Rezension sprengen. Nur der Vollständigkeit halber seien der stoische Familienvater der Bennets, die hysterische und geschwätzige Mutter Bennet, die naive und dickköpfige Lydia oder auch der unterwürfige Collins erwähnt.

Andere Figuren – wie Jane oder Bingley – treten auf, ohne die Geschichte zu bereichern. Vielmehr dient ihre Geschichte lediglich der Vorbereitung der Liaison von Elisabeth und Darcy. Und wird im Anschluss nur notdürftig weitergeführt. Angesichts des begrenzten Umfangs eine nachvollziehbare Entscheidung, die ruhig konsequenter hätte ausfallen dürfen.

Was bleibt?

Stolz und Vorurteil von Jane Austen hat mich positiv überrascht. Rein äußerlich scheint es sich um eine traditionelle Liebesgeschichte mit einem überschaubaren Figurenensemble zu handeln. Die Handlung dürfte für die meisten Leser keine Überraschungen bereithalten.

Umso mehr kann der Roman mit einer starken weiblichen Hauptfigur und einer starken Autorin punkten. Die voller Witz und Esprit gesellschaftliche (Miss)Stände und althergebrachte Konventionen anzuprangern weiß. Dabei gelingt ihr der schwierige Balanceakt zwischen Gesellschaftskritik und einer guten Geschichte. Kein Aspekt überwiegt so stark, dass der andere im Vergleich unterzugehen droht.

Wunderschöne Schmuckausgabe

Die vorliegende Ausgabe stammt aus dem Coppenrath Verlag. Stolz und Vorurteil gehört zu den großformatigen Schmuckausgaben (zum Kleinformat gehören etwa die Sherlock-Holmes-Werke) und kann insgesamt überzeugen. Die verwendeten Materialien sind hochwertig, gehören aber nicht zur höchsten Güteklasse. Anders wäre der mehr als faire Preis auch nicht stemmbar.

Neben einer Fadenheftung und einem Leseband dürfen wir uns über eine Reihe von wunderschönen Illustrationen von Marjolein Bastin freuen. Wie bei den Schmuckausgaben üblich finden wir im Inneren zahlreiche Gimmicks. Diese sind zwar schön anzusehen, drohen aber immer wieder, aus dem Buch zu fliegen.

Der Ausgabe liegt eine Übersetzung von Karin von Schwab aus dem Jahre 1939 zugrunde, die durch ein Lektorat angepasst wurde. Leider werden wir über den Umfang der Änderungen im Unklaren gelassen.

Pro/Contra

Pro
  • Starke weibliche Hauptfigur
  • Überlegene Erzählerin
Contra
  • Recht konventionelle Liebesgeschichte

Fazit


Stolz und Vorurteil von Jane Austen ist ein Roman, der zu Recht immer wieder neue Generationen von Lesern begeistert. Während die Liebesgeschichte bekannten Mustern folgt, verleihen die humorvolle und stellenweise satirehafte Darstellung und die unkonventionelle Heldin der Geschichte einen zeitlosen Charakter.

autorin: Jane Austen

Titel: Stolz und Vorurteil

Seiten: 320

Erscheinungsdatum: 1813

Verlag: Coppenrath Verlag

ISBN: 9783649629726

Übersetzerin: Karin von Schwab

illustratorin: Marjolein Bastin

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Miss Booleana
04.10.2023 18:22

Ach wie schön, dass es dir so gut gefallen hat. 🙂 Das mit den wenig ausgearbeiteten Nebencharakteren, man möchte gar sagen plot devices, fiel mir gar nicht so stark auf. Sie spielen die ihnen zugedachten Rollen natürlich gut. Aber auch nicht viel mehr als das. Leider muss ich gestehen, dass mir keine Bücher Austens einfallen, in denen sie sich anders geben und noch entwickeln.
Andererseits: so stark scheine ich das nicht vermisst zu haben.

Um die Coppenrath-Ausgaben laufe ich auch immer mal wieder herum, aber weil sie mir zu schwer wären, habe ich dann zu denen von dtv gegriffen. Die finde ich auch sehr schön und stimmungsvoll und liegen gut in der hand.

Eugen
07.10.2023 05:45
Antwort an  Miss Booleana

Ich muss gestehen, dass ich ein wenig im Austen-Fieber bin. Überredung habe ich mittlerweile auch gelesen und Emma liegt schon bereit 😅

Ich denke auch, dass es völlig okay ist, wenn die Nebenfiguren nicht so stark im Vordergrund stehen. Sie erfüllen ihre Aufgaben in dem begrenzten Rahmen voll und ganz und mehr kann man von Nebenfiguren auch nicht erwarten.

Auf die dtv Ausgaben habe ich auch geschielt, habe aber die Coppenrath-Ausgaben meiner Herzensdame sowieso hier gehabt und dann natürlich darauf zurückgegriffen. Die Gestaltung ist wirklich schön, aber wie du gesagt hast – mobil ist man damit jedenfalls nicht.