
Sherlock Holmes: Buch der Fälle
von Arthur Conan Doyle
09.10.2025
- Klassiker
Mit dem Buch der Fälle enden die Abenteuer von Sherlock Holmes und Doktor Watson endgültig. Kann Arthur Conan Doyle der Reihe zu einem befriedigenden Abschluss verhelfen?
And so, reader, farewell to Sherlock Holmes
Zum Abschluss erwarten uns zwölf Geschichten: In der ersten Geschichte „Das Abenteuer mit dem illustren Klienten“ befindet sich eine junge Adelige fest im Griff des kriminellen Barons Gruner. Holmes muss tief in die Trickkiste greifen, um sie aus seinen Fängen zu befreien. In „Das Abenteuer mit dem bleichen Soldaten“ möchte ein Soldat einen ehemaligen Kriegskameraden besuchen. Doch dieser wird von seiner Familie versteckt gehalten. Holmes soll herausfinden, was sich hinter diesem Verhalten verbirgt.
„Das Abenteuer mit dem Kronjuwel“ führt unseren Meisterdetektiv auf die Suche nach besagtem Schmuckstück. Eine entscheidende Rolle spielen dabei eine Wachsfigur und zwei einfältige Kriminelle. Auf „Three Gables“ häufen sich die mysteriösen Ereignisse nach dem Tod des Stammhalters.
In „Das Abenteuer mit der Sussex-Vampirin“ soll eine Frau angeblich ihr Baby in den Hals gebissen haben. Doch wie immer ist nichts so, wie es scheint. Drei „Garridebs“ erwartet ein ungewöhnliches Erbe. Holmes wird in die Geschichte verwickelt und deckt einen amerikanisch-britischen Konflikt auf. In „Das Problem mit der Thor-Brücke“ stellt ein ausgeklügelter Mechanismus sogar Holmes’ Fähigkeiten auf die Probe.
Ein hochdekorierter Professor entwickelt in „Das Abenteuer mit dem kriechenden Mann“ seltsame Angewohnheiten. „Das Abenteuer mit der Löwenmähne“ spielt viele Jahre in der Zukunft. Holmes ist gezwungen, noch im hohen Alter einen Mord aufzuklären.
Die Aufklärung eines lange Zeit zurückliegenden Mordes bringt „Das Abenteuer mit der verschleierten Mieterin“. Währenddessen scheint ein lebenslustiger, aber mittelloser Mann im „Shoscombe Old Place“ ein grausames Verbrechen begangen zu haben. In der abschließenden Geschichte „Das Abenteuer mit dem ehemaligen Händler für Künstlerbedarf“ soll Holmes das Verschwinden einer Frau aufklären. Doch der zunächst einfach erscheinende Fall gewinnt mit der Zeit immer neue Facetten hinzu.
Der endgültige Abschied
Ursprünglich hatte Arthur Conan Doyle seine berühmten Helden bereits im Jahre 1893 in den Ruhestand geschickt. Vornehmlich, um sich auf andere kreative Projekte konzentrieren zu können. Der finanzielle Erfolg des Romans „Der Hund der Baskervilles“ im Jahre 1902 stimmte ihn jedoch um und es folgten viele weitere Geschichten. 1927 erschien dann – wenige Jahre vor Doyles Tod – die endgültig letzte Sammlung.
Diese enthielt Geschichten, die zwischen 1921 und 1927 zunächst im Strand Magazine veröffentlicht wurden. Das „Buch der Fälle“ (The Case-Book of Sherlock Holmes) erhielt im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nur wenig Beachtung. Die einzelnen Geschichten wurden – im Vergleich zu den anderen Sammelbänden – nur selten adaptiert. Genießen sie berechtigterweise einen so schlechten Ruf?
Handwerklich solide
Handwerklich erwartet uns zunächst wenig Neues: Doyle war immer schon ein leserfreundlicher Erzähler. Er belästigt seine Leser grundsätzlich nur selten mit schwierigen Satzkonstruktionen oder exotischen Begriffen. Und wichtige Anspielungen werden im Zweifel im Anhang erklärt.
Schwierigkeiten dürfte eher das inhaltliche Grundgerüst bereiten. Es handelt sich durchweg um entschleunigte Geschichten, die so gar nicht den heutigen Erwartungen an Krimis oder Thriller entsprechen: Es gibt keine Action, keine gebrochenen Ermittler und nicht einmal Zweifel, ob Holmes den Fall lösen kann.
Technologisch bleiben wir durchgängig im viktorianischen Zeitalter verhaftet. Die einzig nennenswerte Innovation stellte in den vergangenen Bänden die Nutzung eines Fahrrads dar. Holmes zu lesen ist so, als würde man jahrelang nur Fast Food essen. Und dann das erste Mal mit naturbelassenen Lebensmitteln konfrontiert werden. Darauf muss man sich einlassen können und wollen.
Altbekannte Erzählmuster
Danach wartet eine weitere Hürde: Die Geschichten folgen – bis auf wenige Ausnahmen – demselben Schema. Es gibt ein Problem, Holmes ermittelt und löst den Fall im Hintergrund. Er lässt die anderen Beteiligten im Dunkeln tappen und präsentiert am Ende eine überraschende Lösung.
Das geht oft gut. Macht den Lesegenuss auf Dauer aber auch stark abhängig von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Geschichten. Handelt es sich um einen spannenden Fall oder gibt es interessante Figuren, dann fallen die Wiederholungen kaum auf. Bei schwächeren Abenteuern fallen sie hingegen umso schwerer ins Gewicht. Bedauerlicherweise sind im „Buch der Fälle“ nur wenige wirklich gute (Baron Gruner!) und viele durchschnittliche Abenteuer versammelt.
Neue Erzählperspektiven
Doyle erkannte das Problem schon vor langer Zeit, fand aber nur unbefriedigende Lösungsansätze, die er zudem nur halbherzig weiterverfolgte. Auch hier begnügt er sich damit, gelegentlich die Erzählperspektive zu wechseln: zweimal Holmes, einmal sogar eine auktoriale Erzählerin. Immerhin zeigt er Humor und gesteht diese Schwäche mehr oder weniger offen ein. Großartig sind etwa die Beschwerden des Erzählers Sherlock Holmes darüber, dass er Spannung aufbauen und sein Vorgehen stellenweise offenlegen muss.
Was bleibt?
Das Buch der Fälle von Arthur Conan Doyle stellt einen schwächeren Band im Holmes-Kosmos dar. Handwerklich unterscheiden sich die Geschichten nicht stark von den Vorgängerbänden, inhaltlich erkennt man eine gewisse Müdigkeit des Erzählers.
Freunde des Meisterdetektivs werden ohnehin zugreifen und auf ihre Kosten kommen. Nur sollte man darüber nachdenken, die Lektüre über einen längeren Zeitraum zu strecken. Anfänger sollten – wie sollte es auch anders sein – mit den ersten Romanen oder Kurzgeschichtensammlungen beginnen.
Angemessene Werkausgabe
Im Hinblick auf die Buchausstattung erwarten uns im letzten Band der Sherlock-Holmes-Reihe aus dem Coppenrath Verlag keine Überraschungen. Das Design reiht sich nahtlos in die liebevolle Gestaltung der Vorgängerbände ein. So dürfen wir uns über einen liebevoll gestalteten Buchrücken, zahlreiche Illustrationen und ein Leseband freuen.
Natürlich wurden hier nicht die allerbesten Materialien verwendet. Doch wenigstens kann man die Bände so zu einem akzeptablen Preis erwerben. Die zahlreichen Gimmicks sind nicht meine Sache – ich verstehe aber, warum sie viele Leser begeistern.
Im letzten Band hat man es sogar geschafft, in Hinblick auf die Übersetzung Transparenz zu schaffen. Es handelt sich um eine recht neue Übersetzung von Henning Ahrens, der einige Worte über sein Vorgehen verlieren durfte. Der umfangreiche Anmerkungsapparat stellt eine Bereicherung für das Leseerlebnis dar.
Werke von Arthur Conan Doyle
Bibliographie
Pro/Contra
Pro
- Entschleunigtes Erzähltempo
- Wunderschöne Schmuckausgabe
- Letzter Holmes-Band
Contra
- Entspricht nicht mehr den heutigen Lesegewohnheiten
- viele durchschnittliche Geschichten
- Letzter Holmes-Band
Fazit
Das Buch der Fälle von Arthur Conan Doyle bietet solide Unterhaltung, stellt aber im Holmes-Kosmos eine der schwächeren Sammlungen dar. Fans können dennoch zugreifen, Anfänger sollten mit einem früheren Band einsteigen.
autor: Arthur Conan Doyle
Titel: Sherlock Holmes: Buch der Fälle
Seiten: 336
Erscheinungsdatum: 1921-1927
Verlag: Coppenrath Verlag
ISBN: 9783649650164
Übersetzer: Henning Ahrens
illustratorin: Stefanie Bartsch
Reihe: Sherlock Holmes (8)












