Ein Buch mit dem Titel „Tintentod“ von Cornelia Funke auf Holzuntergrund, dessen Einband mit dekorativen, bunten Buchstaben verziert ist.

Tintentod

von Cornelia Funke


14.02.2025

  • Fantasy

Mit Tintentod führt Cornelia Funke ihre Erfolgstrilogie zu einem (vorläufigen) Abschluss. Gelingt ihr dabei ein rundes Ende?

Laufen oder Kämpfen

Nach den aufwühlenden Ereignissen im zweiten Band stehen unsere Figuren vor großen Herausforderungen: Mortimer führt als „Eichelhäher“ einen aussichtslosen Kampf gegen den Natternkopf, während seine schwangere Frau Resa in die reale Welt zurückkehren möchte.

Währenddessen hat sich Fenoglio verbittert zurückgezogen und muss hilflos mit ansehen, wie Orpheus die Tintenwelt nach seinen eigenen Vorstellungen verändert. Dann greift der Natternkopf zu skrupellosen Maßnahmen und zwingt alle Beteiligten dazu, sich ein für alle Mal für eine Seite zu entscheiden …

Der Abschluss der Erfolgstrilogie

Mittlerweile bin ich bei meinem Re-Read der Tintenwelt-Reihe beim dritten Band angekommen. Tintentod (2007) sollte die Trilogie ursprünglich abschließen, bekanntlich folgte mit Die Farbe der Rache (2023) eine späte Fortsetzung. Während die ersten beiden Bände den Lauf der Zeit erstaunlich gut überstanden haben, bin ich beim dritten Band deutlich weniger optimistisch. Wird sich dieses Gefühl beim Lesen bestätigen?

Liebe zum Lesen

Die enorme Popularität der Tintenwelt-Romane lässt sich vor allem mit den vielfältigen intertextuellen Bezügen und der Liebe zum Lesen erklären. Im ersten Band standen das Medium Buch und die Kunst des Vorlesens im Vordergrund und bot damit für das – ohnehin schon leseaffine – Publikum zahllose Identifikations- und Anknüpfungspunkte.

Der zweite Roman ging einen Schritt weiter und verwirklichte den Traum vieler Leser: Wir wurden in eine fremde (Roman-)Welt gezogen und mussten uns allen positiven und negativen Konsequenzen dieser Entwicklung stellen

Die Liebe der Schöpferin

Der dritte Band greift das Thema Literatur von einer ganz anderen Seite auf: Wir betrachten einen Roman aus der Perspektive einer Autorin und stellen uns Folgefragen nach dem Erscheinen eines Romans. Können Schöpfungen ein Eigenleben entwickeln? Kann – und darf – man diese(s) beeinflussen?

Angehende Literaturwissenschaftler können vermutlich noch über Punkte wie die Außenwahrnehmung, Plagiate oder die Subjektivierung eines Romans durch den Leser schwadronieren – in diese Abgründe steigen wir nicht herab.

Schwach konstruierte Welt

Dar Problem? Leider versteift sich Funke auf diese Perspektive und gibt vieles auf, was die ersten beiden Bände erst so erfolgreich gemacht hat. Klar, ab und zu nehmen wir noch die Sichtweise einer Leserin ein. Aber insgesamt wirkt der Roman doch sehr stark mit sich selbst und seiner Welt beschäftigt.

Und leider kann die Tintenwelt keine Geschichte über einen so langen Zeitraum tragen. Es gibt zwar viele tolle Idee, aber überall knirscht es, an jeder Ecke lauern Ungereimtheiten und ständig muss die Autorin neue Figuren und Fähigkeiten herbeiphantasieren, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen.

Zwei große Handlungsstränge

Im Mittelpunkt der Handlung stehen zwei Handlungsstränge: Zum einen der Konflikt zwischen Fenoglio und Orpheus – Schöpfer und Plagiator, wenn man so will. Und zum anderen Mo, der als Eichelhäher – eine Art Robin-Hood-Verschnitt – den Widerstand aus dem Untergrund heraus anführt.

Beide Stränge haben ihre Szenen und wissen unterm Strich zu unterhalten. Leider versucht die Autorin darüber hinaus, möglichst vielen Figuren Raum zu geben, die wenig bis gar nicht zur eigentlichen Handlung beitragen. Dadurch kommt es zu vielen Längen, die das Gesamtwerk nur unnötig bremsen.

Überflüssige Nebenhandlungen

Am schlimmsten erwischt es Meggie, die völlig wehrlos in eine Dreiecksgeschichte geworfen wird und sich damit vom taffen Mädel im ersten Band zur Anhimmlerin im dritten Band entwickelt. Und ich dachte, nur Männer würden nachlässig mit ihren Frauenfiguren umgehen.

Ein weiteres Beispiel: Nach gut 300 Seiten steuern wir dem ersten Höhepunkt entgegen. Funke gelingt es vorbildlich, über 70 Seiten die Spannung aufzubauen, inszeniert ein großartiges (Zwischen)Finale, nur um dann wenige Seiten später dem ganzen Abschnitt die Daseinsberechtigung zu entziehen.

Brillanter Stil

Das ist insbesondere deshalb schade, weil Cornelia Funke eine Zauberin der Worte ist: Sie besitzt einen detaillierten Stil mit lebensnahen Beschreibungen, die die Geschehnisse vor unseren Augen lebendig werden lassen – ganz großes Kino.

Die Stimmung des Romans ist nochmals deutlich düsterer als noch im Vorgängerband. Die Figuren haben keine Hoffnung und Gewalt und Machtkämpfe spielen eine immer größere Rolle. Aber keine Sorge, alles befindet sich noch auf Kinderbuch-Niveau: Sie schreibt also darüber, beschreibt aber nicht.

Eindimensional, aber liebevoll

Hinsichtlich der Charaktere kann ich größtenteils auf meine vorherigen Rezensionen verweisen: eindimensional, aber liebevoll und lebendig. Das ist mehr, als die meisten Schriftsteller jemals hinkriegen. Problematisch ist, dass wir wieder auf viele neue Figuren treffen, während ehemals wichtige Figuren allenfalls nur noch eine Nebenrolle spielen.

Insbesondere Frauen scheint Funke nicht viel abgewinnen zu können. Bis auf Elinor gibt es keine weibliche Protagonistin, die etwas Positives zur Handlung beizutragen hat. Immerhin haben wir es mit Orpheus mit dem mit Abstand besten Bösewicht der Reihe zu tun, der fast – aber nur fast – aus seiner Schablone ausbrechen kann.

Was bleibt?

Alles in allem handelt es sich bei Tintentod von Cornelia Funke um den bislang schwächsten Band der Reihe. Handwerklich bleibt sie brillant. Leider versucht sie jedoch mit zu vielen Figuren gleichzeitig zu jonglieren und verliert sich in einer Welt, die für sich genommen keinen so umfangreichen Roman tragen kann. Die Liebe zur Literatur ist zwar immer noch spürbar, der Fokus weg vom Leser und hin zum Autor dürfte aber nicht allen Lesern gefallen.

Wundervoll gestaltetes Buch

Auch bei diesem Buch aus dem Dressler Verlag handelt es sich um ein liebevoll im Stile der Vorgänger gestaltetes Buch. Wir dürfen uns auch hier über ein stimmiges Cover freuen, dass mit einem Auge fürs Detail zu begeistern weiß. Hinzu kommen – leider nicht mehr selbstverständliche – farblich abgestimmte Lese- und Kapitalbänder.

Jedes Kapitel beginnt mit einem passenden Zitat aus einem anderen Werk, zum Abschluss erwartet uns zumeist noch eine kleine Illustration der Autorin. Der Anhang enthält ein hilfreiches Personenverzeichnis und eine Karte der Tintenwelt, die die Orientierung erleichtert.

Pro/Contra

Pro
  • Lebendige Sprache
  • Liebeserklärung an die Literatur
Contra
  • Viele Längen
  • Eindimensionale Figuren

Fazit


Mit Tintentod gelingt Cornelia Funke ein allenfalls durchschnittlicher Abschluss ihrer Erfolgstrilogie – ihre lebendige Prosa kann insbesondere nicht über die Schwächen im Plot hinwegtäuschen.

autor: Cornelia Funke

Titel: Tintentod

Seiten: 764

Erscheinungsdatum: 2007

Verlag: Dressler Verlag

ISBN: 9783791504766

übersetzerIn: –

illustratorin: Cornelia Funke

Reihe: Tintenwelt (3)

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