Eine Sammlung von Büchern mit deutschen Titeln, auf deren Covern Nahaufnahmen von Gesichtern zu sehen sind. Die Textüberlagerung wirft die Frage auf: „Gehören Übersetzer auf einem Buchcover?“

Gehören Übersetzer auf ein Buchcover?


09.11.2021

  • Magazin

Vor einigen Wochen stieß ich auf einen Artikel auf TraLaLit, der eine interessante Fragestellung aufwarf: Gehören Übersetzer:innen auf ein Buchcover?

Worum geht es?

Die genauen Hintergründe zur Debatte lassen sich auf TraLaLit nachlesen, ebenso viele Stimmen aus dem deutschsprachigen Raum, sei es nun von Autoren, Übersetzern oder auch von Vertretern großer Verlagshäuser. Im englischsprachigen Raum scheint es keine große Resonanz zu diesem Thema zu geben. Natürlich wird darüber ein wenig geschrieben, einige Verlage geloben sogar Besserung und alle betonen, wie wichtig die Arbeit von Übersetzern doch sei. Doch die dazugehörige Petition haben bisher nur knapp über 2000 Übersetzer und Autoren unterschrieben und abgesehen von Philipp Pullman, Neil Gaimen und Olga Tokarczuk fehlen dabei große Namen. Ich möchte an dieser Stelle den offenen Brief der Initiatorin Jennifer Croft zitieren:

For too long, we’ve taken translators for granted. It is thanks to translators that we have access to world literatures past and present.

It is thanks to translators that we are not merely isolated islands of readers and writers talking amongst ourselves, hearing only ourselves.

Translators are the life-blood of both the literary world and the book trade which sustains it. They should be properly recognised, celebrated and rewarded for this. The first step towards doing this seems an obvious one. From now on we will be asking, in our contracts and communications, that our publishers ensure, whenever our work is translated, that the name of the translator appears on the front cover.

Ich muss sagen, dass mir bei diesen Formulierungen richtig übel wird, doch noch schlimmer wird es, wenn man den Mitinitiator Mark Haddon zitiert:

Perhaps a better question is to ask why the voices of translators asking for change are so often ignored. My suspicion is that sexism plays a part. The majority of literary translators are women while the majority of works translated are by men. It’s no surprise that translation is seen as a service industry rather than an art form.

https://lareviewofbooks.org/short-takes/mark-haddon-on-translator-names-on-book-covers/

Gehts noch?

Ich weiß, dass man mit solchen überspitzten Formulierungen vor allem Aufmerksamkeit generieren möchte, aber dem eigentlichen Anliegen – der erhöhten Wertschätzung der Übersetzer – tut man damit keinen Gefallen. Klar, die Bedeutung des Übersetzers ist schon seit Jahrzehnten chronisch unterschätzt und es ist löblich und unterstützenswert, dagegen anzukämpfen, aber solche arroganten und völlig fehlplatzierte Äußerungen in der Öffentlichkeit erinnern eher an die Trotzreaktionen schmollender Kinder, als an einen ernsthaften Arbeitskampf.

Jedem, der Croft und Haddon unterstützt, möchte ich folgendes sagen: Übersetzer sind keine Schriftsteller und auch keine Co-Schriftsteller. Sie bringen keine gleichwertige Kreativleistung wie ein Schriftsteller und sollten auch nicht gleichwertig neben ihnen stehen. Übersetzer sind auch keine Heilsbringer, die uns einfache Leser aus einem Zustand der geistigen Umnachtung befreien wollen. Sind wir mal ehrlich, das ist im Endeffekt auch nur ein Beruf, der den Kühlschrank füllen soll.

Was ist mit den anderen Beteiligten?

Damit will ich Übersetzer keineswegs abwerten, sie spielen sicherlich eine wichtige Rolle auf dem Buchmarkt und eine gute Übersetzung ist die Kombination aus monate- oder gar jahrelanger Recherchearbeit und einem hervorragenden Sprachgefühl. Diese Arbeit erfordert gut ausgebildete Fachkräfte, die sicherlich mehr Wertschätzung verdienen, als es bislang der Fall ist. Aber bei aller Sympathie geht mir der Begriff Co-Schriftsteller zu weit und wertet gleichzeitig auch alle anderen Beteiligten ab. Was ist denn mit Lektoren, tragen die nicht weitaus mehr zu einem Buch bei als ein Übersetzer, der ja im Endeffekt „nur“ das Ergebnis übersetzt? Und was ist mit den Buchgestaltern und Illustratoren? Sind die alle so unbedeutend für das Gesamtwerk? Wenn ich Übersetzern auf dem Cover einen Platz einräume, fällt mir kein Grund ein, um den anderen Beteiligten einen Platz zu verweigern. Haben wir dann bald auf Buchcovern nur noch lange Listen? Und vergisst man bei all diesen Diskussionen nicht das wichtigste, den Schriftsteller selbst? Sollte es bei einem Cover nicht um einen Schriftsteller und sein Werk gehen?

Worum geht es wirklich?

Hinter dem Wunsch, auf dem Cover abgedruckt zu werden, steht doch im Endeffekt nur der berechtigte Wunsch nach mehr Wertschätzung und einer besseren finanziellen Vergütung. Doch führt ein Name auf dem Cover zum gewünschten Ergebnis?

Es gibt auf dem deutschen Buchmarkt nur eine kleine Nische, bei der der Name des Übersetzers eine Rolle spielt, und das ist der Klassiker Bereich. Wenn mehrere Übersetzungen eines Werkes zeitgleich lieferbar sind, dann informiere ich mich als Leser und entscheide mich anhand der Übersetzung für den Kauf eines Buches.

In allen anderen Fällen spielt es überhaupt keine Rolle, wie gut das Buch von wem übersetzt wurde, oft kann oder will ich das als Leser auch gar nicht beurteilen und bin zufrieden, wenn es keine offensichtlichen Fehler gibt. Ob ich ein Buch kaufe oder nicht, hängt in den meisten Fällen vom Autor und seinem Werk ab und nicht vom Übersetzer. Oder kennt ihr jemanden, der ein Buch gekauft hat, nur weil Klaus Fritz (dt. Übersetzer von Harry Potter) die Übersetzung dazu abgeliefert hat? Oder umgekehrt, habt ihr im normalen Buchhandel schon mal ein Buch liegen lassen, weil ihr den Übersetzer nicht mochtet? Wie viele Übersetzer kennt ihr überhaupt?

Und an dieser Problematik würden auch die Namen der Übersetzer auf dem Cover nichts ändern, die sind sowieso spätestens beim nächsten Roman vergessen.

Lasst euch nicht mit dem Buchcover abspeisen!

Für die Verlage ist das Abdrucken des Übersetzers auf dem Buchcover die einfachste Lösung. Das befriedigt das Ego des Übersetzers und ist viel günstiger, als Übersetzer angemessener zu bezahlen und ihnen die verdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Wirkliche Wertschätzung erhält man nicht durch einen abgedruckten Namen, sondern dadurch, dass man anderen den Wert der eigenen Arbeit verdeutlicht. Hanser und Mare machen bei ihren Klassikern vor, wie es funktionieren könnte: Im Anhang, der oft ganz von den Übersetzern gestaltet wird, erhalten die Übersetzer einige Seiten, um über ihre Übersetzung zu sprechen und ihr Vorgehen zu erläutern. Darüber hinaus schreiben sie oft das Nachwort, in dem sie ihr breites Wissen über Autor und Werk präsentieren und dem Leser einen wirklichen Mehrwert bieten. Nur so kann der Leser den Übersetzer wirklich wahrnehmen, bleibt doch die eigentliche Übersetzung immer eng mit dem Autoren selbst verbunden.

Fazit


Ein Name auf dem Cover ist kein Ersatz für eine angemessene Bezahlung und bringt nicht mehr als oberflächliche Anerkennung. Übersetzer müssen andere Wege finden, um die Anerkennung des Lesers zu gewinnen.

Was haltet ihr von der Debatte? Gehören Übersetzer auf ein Buchcover oder haltet ihr das für überflüssig?

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