Auf einer Holzfläche liegt ein gebundenes Buch mit dem Titel „Sherlock Holmes: Die Rückkehr“ von Arthur Conan Doyle. Auf dem Cover sind Abbildungen von Londoner Sehenswürdigkeiten zu sehen.

Sherlock Holmes: Die Rückkehr

von Arthur Conan Doyle


16.02.2024

  • Klassiker

Mit Die Rückkehr kehrte Arthur Conan Doyle nach längerer Schaffenspause zu seinem berühmten Romanhelden zurück. Doch war dies wirklich eine gute Entscheidung?

Sherlock Holmes ist zurück

Gleich zu Beginn erwartet uns mit Das leere Haus der Grundstein für die überraschende Rückkehr unseres Titelhelden. Doch um sich unbehelligt in der Öffentlichkeit bewegen zu können, müssen Holmes und Watson einigen Nachfolgern ihres Erzfeindes Moriarty das Handwerk legen. In gewohnten Fahrwassern bewegen wir uns dann in den nächsten beiden Geschichten (Der Baumeister aus Norwood und Die tanzenden Männchen), in denen unser Duo in verzwickten Mordfällen ermittelt.

In Die einsame Radfahrerin ist eine junge Frau in einer unangenehmen Situation: Jeden Tag wird sie auf dem Weg zur Arbeit von einem Unbekannten verfolgt, der kurz darauf wieder verschwindet. Was steckt hinter diesem ungewöhnlichen Vorgehen? In Die Entführung aus der Klosterschule verschwindet der Sohn eines unfassbar reichen Adligen spurlos aus einem Internat. Während bald die Leiche eines Lehrers auftaucht, stecken die Behörden mit ihren Ermittlungen fest. Kann Holmes den Jungen noch retten?

Mit Der schwarze Peter erwartet uns ein weiterer Klassiker. Ein alter Walfängerkapitän wird erstochen aufgefunden. Als wenig später Unbekannte seine Logbücher durchsuchen, zeigt sich, dass noch viel mehr dahintersteckt. Apropos Klassiker: Charles Augustus Milverton ist nicht nur verantwortlich für den Titel dieser Geschichte, sondern auch ein äußerst erfolgreicher Erpresser, der sich auf den Adel spezialisiert hat. Als er die Korrespondenz einer jungen Dame in die Finger bekommt und damit ihre bevorstehende Hochzeit gefährdet, ist abermals unser Detektiv gefragt.

Einen ganz anderen Weg schlagen Die sechs Napoleons ein: Ein Verrückter hat es auf Duplikate von Büsten von Napoleon Bonaparte abgesehen und zerschmettert diese auf offener Straße. Natürlich steckt mehr als Wahn hinter diesem Vorgehen. Prüfungsunterlagen zu stehlen, stellt eine heikle Angelegenheit dar. Dies gilt gleichermaßen für Studenten wie für den Ruf einer Universität. Holmes bleibt in Die drei Studenten nur eine Nacht, um den Täter dingfest zu machen. Ansonsten droht der Institution ein großer Skandal.

Der goldene Kneifer eines toten Sekretärs bildet den einzigen Hinweis in einem verzwickten Mordfall. Indes ist Holmes dafür bekannt, noch den kleinsten Hinweis nutzen zu können. In Der verschollene Three-Quarter verschwindet der beste Spieler einer Universitätsmannschaft über Nacht und seine Mannschaftskollegen befürchten eine Verschwörung. Doch das Leben ist so manches Mal bitterer als der verzwickteste Kriminalfall …

Ein Adliger tyrannisiert in Abbey Grange Freunde und Familie und wird schließlich Opfer einer Einbrecherbande. Die Täter scheinen schnell in einer polizeibekannten Einbrecherbande gefunden zu sein. Nur Holmes durchblickt das doppelte Spiel. In Der zweite Fleck sucht der britische Premierminister Holmes verzweifelt auf. Ein wichtiges Dokument ist verschwunden und bedroht damit den Frieden in ganz Europa. Holmes ist gezwungen, verdeckt zu ermitteln, doch der Fall erweist sich mit fortschreitender Zeit als immer verzwickter …

Ein Skandal und sein Ende

Eigentlich hatte sich Arthur Conan Doyle mit der Kurzgeschichte „Das letzte Problem“ endgültig von seiner Figur Sherlock Holmes verabschiedet. Damit löste er in literarischen Kreisen einen Sturm der Entrüstung aus. Nicht einmal seine Mutter – selbst großer Fan der Reihe – konnte ihn von seinem Plan abbringen.

Es folgten Jahre mit mäßigen literarischen Erfolgen. Bis er 1901 mit Der Hund der Baskervilles einen weiteren Roman im Holmes-Kosmos ansiedelte. Der Roman war ein phänomenaler Erfolg. Der Ruhm (und sicherlich auch das Geld) spornten Doyle dazu an, weitere Geschichten um seinen Helden zu schreiben. Es folgten zunächst einzelne Veröffentlichungen im Strand Magazine, bis 1905 dann die vorliegende Kurzgeschichtensammlung erschien. Doch ist die Rückkehr des Sherlock Holmes wirklich gelungen?

Sprachlich verständlich

Zunächst bewegen wir uns in gewohnten Fahrwassern: Sprachlich handelt es sich um Geschichten ihrer Zeit. Doyle ist ein leserfreundlicher Erzähler, der weder auf komplizierte Satzkonstruktionen noch auf exotische Begriffe zurückgreift. Und die wenigen zeitgenössischen Anspielungen werden im Anhang hinreichend erklärt.

Entschleunigtes Erzähltempo

Auch dieses Mal dürfen wir uns auf und über ein entschleunigtes Erzähltempo freuen. Die Welt war vor über hundert Jahren einfach noch viel größer und weniger greifbar: Unmittelbare Kommunikation über größere Entfernungen war beinahe unmöglich und diese Entfernungen physisch zu überbrücken, erforderte einen immensen Zeitaufwand.

Holmes und Watson benehmen sich diesem Zeitgeist entsprechend und verlieren selten die Contenance. In der Baker Street legt man kein gehetztes Verhalten an den Tag. Und dass darunter so manch ein Bittsteller zu leiden hat, nehmen sie bereitwillig in Kauf. Dass allein der Einsatz eines Fahrrads ein großes Störgefühl auslöst, sagt einiges über die Grundstimmung der Geschichten aus. Für uns Leser bilden die Geschichten damit eine Quelle der Entschleunigung, die man in der Form heutzutage nicht mehr findet.  

Nichts Neues im Holmes-Universum

Also alles gut? Mitnichten. Leider kommt man nicht umhin, Arthur Conan Doyle mit diesen Geschichten eine gewisse Einfallslosigkeit zu attestieren. Gab er sich in Die Memoiren noch sichtlich Mühe, indem er neue Charaktere einführte oder Holmes’ Hintergrundgeschichte beleuchtete, so fehlen diese Aspekte hier völlig. Hier mal ein neuer Polizeibeamter, dort mal ein Fahrrad als neuartiges Verkehrsmittel und das war es auch schon.

Solange wir es mit einem spannenden Fall zu tun haben, wirkt sich dies nicht negativ aus. Und davon gibt es in dieser Sammlung so einige. Man denke nur an das packende Duell in Das leere Haus, den mysteriösen Baumeister aus Norwood oder den zweiten Fleck. Überhaupt sind die Themen auch dieses Mal breit gefächert – allzu blutig wird der Sammelband nicht.

Holmes wieder im Mittelpunkt

Enttäuschenderweise gilt dies nicht für alle Geschichten. Auf jede richtig gute Geschichte folgt eine durchschnittliche. Diese sind zwar literarisch okay, aber mehr auch nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Holmes’ Rolle zum Schlechteren verschoben hat.

Auch wenn Dr. Watson uns in seiner unnachahmlichen Art als Erzähler durch das Geschehen leitet, wurde seine Rolle erheblich reduziert. Holmes übernimmt durchgehend das Geschehen und verdrängt Watson in allen handlungserheblichen Aspekten. Oft darf Watson nicht einmal die niedersten Hilfsarbeiten verrichten. Darunter leidet auch die Dynamik der beiden Hauptfiguren, die eine wesentliche Quelle des Humors der Reihe darstellte.

Weichgespülter Titelheld

Das wäre noch vertretbar, wenn Sherlock Holmes nicht so weichgespült auftreten würde. Holmes als Figur macht insbesondere aus, dass seiner unbestrittenen Genialität gleichzeitig eine dunkle Seite gegenübersteht.

Diese fehlt hier. Wir haben es mit einem arroganten Detektiv zu tun, der sein Umfeld dominiert, ohne Anzeichen von Schwäche zu zeigen. Dass Holmes wenigstens einem Moralkodex folgt und nicht immer streng gesetzestreu handelt, ist nur ein schwacher Trost.

Was bleibt?

Sherlock Holmes: Die Rückkehr von Arthur Conan Doyle bietet dem geneigten Leser das, was schon die vorherigen Bücher geboten haben: entschleunigte und unterhaltsame Kriminalgeschichten, die ein Stück weit aus der Zeit gefallen zu sein scheinen.

Auch wenn Doyle langsam die Luft ausgeht: Es handelt sich immer noch um unterhaltsame Geschichten, die das Niveau des Vorgängerbandes halten können. Wer bislang Gefallen an Holmes’ Abenteuern gefunden hat, kann hier also bedenkenlos zugreifen. Neueinsteiger sollten mit früheren Werken beginnen.

Wunderschöne Geschenkausgabe

Der fünfte Band der Sherlock-Holmes-Reihe aus dem Coppenrath-Verlag glänzt durch ein ansprechendes Äußeres. Im Grunde reiht sich das Design dieses Bandes nahtlos in die liebevolle Gestaltung der Vorgängerbände ein. Und kann mit einem klassisch gestalteten Buchrücken, vielen kleineren und größeren Illustrationen und mit einem Leseband überzeugen.

Dass nicht immer die allerbesten Materialien verwendet wurden, ist angesichts des günstigen Preises verschmerzbar. Gerade, wenn man die momentane Preisspirale des Buchmarkts bedenkt. Einmal mehr erwarten uns zahlreiche Gimmicks, die schön anzusehen sind, aber naturgemäß aus dem Buch herauszufallen drohen.

Leider glänzt der Coppenrath-Verlag in Bezug auf die Übersetzung mit Intransparenz. Grundlage ist eine Übersetzung aus dem Jahr 1905, die von Claudia Pastors bearbeitet wurde. Während an der Übersetzung an sich keine offensichtlichen Mängel feststellbar sind, spricht dieses Vorgehen nicht für eine Wertschätzung der früheren Übersetzungsarbeit.

Bibliographie

Mehr Weniger

Pro/Contra

Pro
  • entschleunigtes Erzähltempo
  • in der Spitze starke Fälle
  • wunderschöne Geschenkausgabe
Contra
  • entschleunigtes Erzähltempo
  • Holmes oft ohne Ecken und Kanten

Fazit


Sherlock Holmes: Die Rückkehr von Arthur Conan Doyle steht ganz in der Tradition der vorherigen Kurzgeschichtenbände. Fans können bedenkenlos zugreifen, Neueinsteiger sollten einen früheren Band wählen.

autor: Arthur Conan Doyle

Titel: Sherlock Holmes: Die Rückkehr

Seiten: 431

Erscheinungsdatum: 1903 – 1905

Verlag: Coppenrath Verlag

ISBN: 9783649643944

Übersetzerin: Claudia Pastors

illustratorin: Stefanie Bartsch

Reihe: Sherlock Holmes (5)

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Neuste
Älteste
Inline Feedbacks
Sehe dir alle Kommentare an