
Der Meister und Margarita
von Michail Bulgakow
13.12.2024
- Klassiker
- ·
- Phantastik
Der Meister und Margarita von Michail Bulgakow hat seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1966 weltweit Kritiker und Leser gleichermaßen begeistert und gilt bereits jetzt als Klassiker der russischen Literatur. Doch kann der Roman den Vorschusslorbeeren wirklich gerecht werden?
Ein Teil von jener Kraft, die stets …
Moskau in den 1930er-Jahren: Der Teufel besucht mit seinem Gefolge die Stadt und stellt das Leben der Bewohner auf den Kopf. Einzig ein namenloser Schriftsteller (Meister) und seine Geliebte (Margarita) scheinen seinen Verlockungen widerstehen zu können. Es beginnen denkwürdige Tage, die die Stadt niemals vergessen soll …
Unwahrscheinlicher Erfolg
Der Meister und Margarita gehört zu den wenigen Werken, auf die sich Leser und Kritiker über Generationen hinweg einigen können. Nicht umsonst gilt er bereits jetzt als Klassiker der russischen Literatur. Doch woher kommt die Faszination für diesen Roman?
Der 1891 in Kiew geborene Schriftsteller Michail Bulgakow schlug ursprünglich einen ganz anderen Weg ein: Er studierte zunächst Medizin und arbeitete dann einige Jahre als Arzt. In den Wirren der Revolution leistete er auf verschiedenen Seiten mehr oder weniger freiwillig seinen Dienst (Doktor Schiwago lässt grüßen) und desertierte mehrfach. 1919 vernichtete er schließlich seine Studienunterlagen und war nach seinem Umzug nach Moskau im Jahre 1921 nur noch als Schriftsteller tätig.
Zwischen Kult und Zensur
Dabei stellt sein Überleben in den folgenden Jahren ein kleines Wunder dar: Seine Geschichten standen nicht gerade im Einklang mit der Parteilinie. Regelmäßig wurde er entweder Opfer der Zensurbehörden oder der staatlich gelenkten Kritik. Man erzählt sich, von 300 Besprechungen seien ganze drei nicht negativ gewesen. Gleichzeitig scheint Stalin von einigen seiner Werke fasziniert gewesen zu sein. So durfte er das Land zwar nicht verlassen, wurde aber auch nicht ermordet.
An Der Meister und Margarita arbeitete er – mit Unterbrechungen – zwölf Jahre. Noch am Totenbett soll er seiner dritten Frau letzte Änderungen diktiert haben. Als eine zensierte Fassung 1966 in der UdSSR erschien – 26 Jahre nach seinem Tod –, wurde diese sofort zum Kassenschlager und Kultwerk.
Vorbemerkungen
Eines vorweg: Es handelt sich um ein Buch, das so vollgepackt mit phantastischen Motiven, autobiographischen Elementen und intertextuellen Bezügen ist, dass man beinahe alles hineininterpretieren kann. Die Betonung liegt auf dem Wort „kann“ – auch ohne Hintergrundwissen handelt es sich um eine überaus unterhaltsame Lektüre. Und keine Sorge, ich seziere den Roman an dieser Stelle nicht. Sondern beschränke mich auf die wichtigsten Aspekte (es gibt auch keine Faust-Anspielungen mehr, versprochen).
Der Roman lässt sich grob in drei Handlungsabschnitte aufteilen. Diese scheinen keinem festen Schema zu folgen, werden zum Ende hin aber zu einem runden Abschluss geführt. Dabei kann bereits jede Ebene für sich überzeugen.
Vielschichtige Handlung
Auf der ersten Ebene erwartet uns ein waschechter Fantasy-Schelmen-Roman. Leser der U- und E-Front dürfen gerne auch magischer Realismus sagen. Rein oberflächlich handelt es sich um humorvoll-satirische bis bitterböse Episoden (man denke nur an die Wohnungssuche, die zweite Frischeklasse, den Auftritt im Varieté oder die zentrale Ball-Szene) im Zusammenhang mit dem Teufel Woland und seinem Gefolge (insbesondere der riesige Kater Begemot bleibt in Erinnerung). Dahinter verbirgt sich natürlich mehr oder weniger verdeckte Kritik an der Sowjetunion, Stalin und den parasitären bis einfältigen Bewohnern der Stadt.
Die zweite Ebene bewegt sich weg von der Gesellschaft hin zum Individuum. Sie nimmt die namensgebenden Figuren in ihren Mittelpunkt. Neben der mehr oder weniger interessanten Liebesgeschichte überzeugen die beiden Hauptfiguren. Diese lehnen als einzige das bestehende System ab und suchen verzweifelt nach einem eigenen Weg. Ohne dabei das System zu ihren Gunsten auszunutzen. Vor allem hier lassen sich viele autobiographische Anleihen finden.
Die dritte Ebene bildet eine umklammernde Erzählung, die sich mit der Beziehung von Pontius Pilatus und Jeschua (Jesus) beschäftigt. Meines Erachtens wollte Bulgakow hier insbesondere nicht zu religiösen Fragen Stellung beziehen. Er wollte lediglich – ähnlich wie auf der ersten Ebene – die Fehler im System Sowjetunion literarisch verarbeiten.
Handwerklich vielseitig
Handwerklich handelt es sich um einen erstaunlich modernen Roman. Bulgakow wird man niemals mit einem Minimalisten wie Cechov verwechseln. Aber seine Sätze sind immer zielführend und wir Leser fliegen geradezu durch die Seiten.
Auch sonst gibt es nichts, was Bulgakow nicht kann. Er beherrscht ernsthafte und unterhaltsame Szenen, kann lebendige und unterhaltsame Dialoge verfassen und Leser zum Nachdenken und Lachen bringen. Spielerisch wechselt er zwischen verschiedenen Perspektiven und Ebenen, ohne das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.
Was bleibt?
Der Meister und Margarita von Michail Bulgakow steht völlig zu Recht in einer Reihe mit den großen Klassikern der russischen Literatur. Inhaltlich handelt es sich um einen wilden Ritt, der verschiedene Handlungs- und Deutungsebenen in sich vereint. Die aber auch völlig unabhängig voneinander überzeugen können. Handwerklich besticht der Autor mit einer klaren Prosa, die auch von modernen Lesern problemlos verstanden werden kann. Pflichtlektüre.
Gelungene Schmuckausgabe
Mit der mir vorliegenden Ausgabe hat sich nun auch der Anaconda Verlag auf den wachsenden Markt der Schmuckausgaben gewagt. Uns erwartet ein leicht überdurchschnittlich großes Hardcover mit rotem Farbschnitt und farblich abgestimmtem Lese- und Kapitalband. Eine Fadenheftung fehlt zwar, dies ist aber angesichts des günstigen Preises auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Im liebevoll gestalteten Inneren finden wir zahlreiche Illustrationen von Alexander Fedorov. Das lesenswerte Nachwort der Übersetzerin Alexandra Berlina liefert nicht nur Einblicke in ihre Arbeitsweise. Es besticht auch durch interessante Hintergrundinformationen zu Autor, Lektüre und Rezeption. Insgesamt handelt es sich um eine gelungene Schmuckausgabe, der gerne noch weitere folgen dürfen.
Pro/Contra
Pro
- Faszinierende Mischung
- Auf mehreren Ebenen überzeugend
- Zeitlose Themen
Contra
- Kann man auch überinterpretieren
- Manche Ebenen erfordern weitergehende Auseinandersetzung mit den Hintergründen
Fazit
Der Meister und Margarita von Michail Bulgakow zählt völlig zu Recht zu den großen Klassikern der russischen Literatur. Inhaltlich vielschichtig, sprachlich brillant – Pflichtlektüre!
autor: Michail Bulgakow
Titel: Der Meister und Margarita
Seiten: 512
Erscheinungsdatum: 2024 (1966)
Verlag: Anaconda Verlag
ISBN: 9783730614259
Übersetzerin: Alexandra Berlina
illustrator: Alexander Fedorov
Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt










Schönen guten Morgen!
Das Buch hatte ich ja in einer Leserunde gelesen, während deren wir uns austauschen konnten und ich muss gestehen, dass ich hier manchmal etwas überfordert war. Hier gibts wirklich viel zum hinein interpretieren – und ich bin jemand, der gerne schaut was ein Autor aussagen möchte oder zwischen den Zeilen steht – und da kam ich doch oft an meine Grenzen. Was wohl auch an meinen fehlenden Hintergrundinfos liegt. Zum einen zum Autor, zum anderen zu der damaligen Zeit in diesem Land.
Aber unterhaltsam ist es allemal wenn man diese Gedanken außer acht lässt und es ließ sich definitiv gut lesen. Besser als gedacht 🙂
Vielen Dank auch fürs Verlinken meiner Rezension – ich hab deine bei mir jetzt auch verlinkt 😉
Liebste Grüße, Aleshanee
Schönen guten Morgen!
Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das deckt sich alles auch mit meinen Erfahrungen. Eigentlich bräuchte man für so ein Buch eine umfangreich kommentierte Ausgabe – aber das wäre dann eher etwas für den vierten oder fünften Durchgang und eigentlich zu schade um die tolle Geschichte! 🙂
Vielen Dank!
Liebe Grüße,
Eugen