Großplanet
von Jack Vance
13.01.2023
- Science-Fiction
Großplanet (Big Planet) erschien im Jahre 1952 als dritter Roman des amerikanischen Schriftstellers Jack Vance und kann damit getrost dessen Frühwerk zugeordnet werden. Doch kann es mit seinen späteren Meisterwerken mithalten?
Eine Odyssee durch einen tödlichen Planeten
Ausgangspunkt unserer Erzählung ist, wie sollte es auch anders sein, der titelgebende Großplanet. Der Name deutet es bereits an: Der Planet hat das dreißigfache Volumen der Erde, dafür mangelt es ihm jedoch an jeglichen Erzvorkommen. Aufgrund dieses Umstands ist er für die meisten fortgeschrittenen Kulturen uninteressant. Dafür hat sich der Planet zur neuen Heimat zahlreicher ehemaliger Minderheiten der Erde entwickelt, die sich dort im Laufe der Jahrhunderte technologisch und kulturell zurückentwickelt und zahllose kleine Reiche gebildet haben, die oftmals mehrere tausend Kilometer voneinander entfernt liegen.
Die Erde hält sich aus den inneren Angelegenheiten des Planeten weitestgehend heraus, bis eines Tages der bekannte Warlord Bajarnum von Beaujolais Waffen nach Großplanet schmuggelt und die Kontrolle über den ganzen Planeten zu übernehmen droht.
Eine Kommission um Claude Glystra macht sich auf den Weg nach Großplanet, doch während des Anflugs wird ihr Raumschiff von ebenjenem Warlord abgeschossen. Die Überlebenden stehen vor einem Dilemma: Wandern sie zehntausende Kilometer zu Fuß durch einen tödlichen Planeten, um die rettende Erd-Enklave zu erreichen oder bleiben sie an Ort und Stelle, um früher oder später von den Truppen des Warlords überrannt zu werden?
Kreative Einfälle en masse
Prägendes Motiv des Romans ist – wie so oft in Vance Romanen – die Odyssee. Eine Gruppe wird in einer ihr unbekannten Umgebung ausgesetzt und muss, um ihren Zielort zu erreichen, zahlreiche Abenteuer überstehen. Typisch für einen Vance Roman ist dabei, dass die Handlung oft nur den groben Rahmen des Romans bildet und nur als Sprungbrett für zahlreiche bizarre und spannende Ideen dient. Dabei bietet Großplanet mit seinem Hintergrund als Zufluchtsort für zahlreiche (ehemalige) Minderheiten und seiner Größe die ideale Ausgangslage für die kreativen Einfälle des Jack Vance, die ob der schieren Masse nur schwer auch nur beispielhaft wiedergegeben werden können.
Die Kunst des Weglassens
Vance zeichnet sich dabei bereits in diesem frühen Roman als Meister des Weglassens aus. Andere Autoren würden aus zehn Seiten seines Romans ganze Zyklen konstruieren, Vance beschränkt sich hingegen auf kurze Abschnitte, in denen seine Ideen stakkatoartig aufleuchten und ganze Welten verheißen und kehrt danach nie wieder zurück. Wie so oft bewegt er sich dabei auf dem scheinbar widersprüchlichen Grad zwischen Oberflächlichkeit und Detailverliebtheit und überlässt es der Vorstellungskraft des Lesers, diese Welten mit weiterem Leben zu füllen. Ein wichtiges Stilmittel stellen in diesem Zusammenhang seine exotischen Wortschöpfungen dar, die allenfalls mit kurzen Erklärungen versehen sind und damit bewusst die Fantasie noch weiter anregen. Ein Fest für jeden Leser, der sich nicht einfach nur berieseln lassen möchte!
Dünne Handlung und schwache Dialoge
Das alles kann dieses Mal aber leider nicht darüber hinwegtäuschen, wie schwach die eigentliche Handlung wirklich ist. Ohne zu viel vom Ende des Romans verraten zu wollen, erweist sich der ohnehin schon dünne Plot als erstaunlich substanz-, weil bedeutungslos und erschöpft sich in einer episodenhaften Aneinanderreihung mehr oder weniger stark zusammenhängender Abschnitte. Selbst mit den großzügigen Maßstäben an ein Vance-(Früh-)Werk lässt gerade die Auflösung den Leser enttäuscht und unbefriedigt zurück. Auch fehlt den Dialogen noch der Witz und Esprit, der ihn in seinen späteren Werken auszeichnen soll.
Blasse Charaktere
Wer einen Vance-Roman liest, ist sich immer bewusst, dass der Fokus selten ganz auf den Charakteren liegen wird, zu sprach- und wortverliebt gestaltet Vance seine Welten und zu kurz sind dafür seine Romane. Ist eine Hauptfigur daher schon nicht so übermächtig gestaltet, dass ihr jedes Problem leicht von der Hand geht, dann darf dies getrost als Gewinn bezeichnet werden. In diese Kategorie dürfte wohl das ganze Figurenensemble einzuordnen sein. Als Leser sind wir einfach viel zu fasziniert von Vance Einfällen, als dass wir irgendeine Art von emotionaler Verbindung zu irgendeiner Figur aufbauen könnten. Die Konsequenz ist dann leider auch, dass wir die regelmäßige Dezimierung unserer Truppe mit nicht mehr als einem Schulterzucken hinnehmen.
Was bleibt?
Großplanet ist ein typischer Vance-Roman, der viele wiederkehrende Motive seiner Werke enthält. Im Vordergrund steht dabei stets die Vorstellungskraft des Lesers, die durch zahlreiche stakkatoartig präsentierte Kulturen und Ideen angeregt wird. Im Vergleich zu seinen späteren Werken kann der Roman dennoch nicht vollends überzeugen.
Auch wenn Charaktere in der Regel sowieso nicht im Fokus seiner Werke stehen und die Handlung an sich eine eher untergeordnete Rolle spielt, kann die Handlung dieses Romans nicht einmal diesen geringen Erwartungen gerecht werden. Vance-Fans werden hier dennoch auf ihre Kosten kommen, Neueinsteiger sollten hingegen zunächst auf seine bekannteren und ausgereifteren Werke zurückgreifen. Wer etwa die Grundidee des Romans interessant findet, könnte etwa mit der deutlich unterhaltsameren Tschai-Reihe glücklich werden.
Hochwertige Ausstattung
Der Großplanet ist im engagierten Kleinverlag Edition Andreas Irle erschienen, dem ich bereits einen eigenen kleinen Beitrag gewidmet habe. Andreas Irle hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Werk von Jack Vance im bibliophilen Gewand zu veröffentlichen. Auch wenn der hohe Preis zunächst abschreckend wirkt, bekommt man als Leser einiges geboten. Neben dem geprägten Leineneinband dürfen wir uns dabei über eine Fadenheftung und stabiles und werthaltiges Papier freuen. Wer darauf verzichten kann und einen E-Reader sein Eigen nennen kann, kann natürlich auch auf die deutlich günstigere E-Book Ausgabe zurückgreifen.
Werke von Jack Vance
Pro/Contra
Pro
- Vance Ideenreichtum kennt keine Grenzen
- kreative Wortschöpfungen
- fordert und fördert die Vorstellungskraft
Contra
- schwach ausgearbeitete Charaktere
- unausgereifte Handlung
Fazit
Großplanet von Jack Vance stellt ein typisches Frühwerk des Autors dar, dass mit seinen kreativen Ideen begeistern kann, gleichzeitig aber an schwachen Charakteren und einer unausgereiften Handlung leidet. Perfekt für Fans, aber sicherlich nicht geeignet für den Einstieg in sein Schaffen.
autor: Jack Vance
Titel: Großplanet
Seiten: 202
Erscheinungsdatum: 1952
Verlag: Edition Andreas Irle
ISBN: 9783936922047
übersetzer: Andreas Irle
illustrator: –