Auf einer Holzfläche liegt ein Buch mit dem Titel „Der träumende Krieger“ von Lee Young-Do, auf dessen Cover eine Illustration abgebildet ist.

Der träumende Krieger

von Lee Young-Do


09.08.2024

  • Fantasy

Bereits wenige Monate nach dem ersten Teil liegt mit Der träumende Krieger der zweite Teil der Legende vom Tränenvogel von Lee Young-Do vor. Der erste Band konnte mich vor allem durch sein erfrischendes Setting begeistern. Doch gilt dies auch für den zweiten Band?

Brüchiger Frieden

Unsere Heldengruppe befindet sich auf dem Weg zum Großtempel von Hainsha, um die Pläne der Hüter im Königreich Kiboren zu durchkreuzen. Eng an ihren Fersen befindet sich Samo Pey, die – durch ihren tödlichen Schwur gebunden – nicht von ihrer Verfolgung absehen kann. Gleichzeitig beginnt das seit Jahrhunderten im Reich der Naga bestehende Matriarchat zu wanken.

Wird es unseren Helden gelingen, rechtzeitig den Tempel zu erreichen oder werden die Hüter die bestehende Ordnung für immer verändern?

Koreanischer Millionen-Bestseller

Lee Young-Do gilt in seiner Heimat Südkorea als absoluter Bestseller-Autor, dessen Werke seit 1998 Millionen-Auflagen erreichen. In der westlichen Welt ist er hingegen so gut wie unbekannt. Erst im Jahre 2022 konnten die Rechte an seinem vierbändigen Zyklus Die Legende vom Tränenvogel an eine ganze Reihe von Ländern verkauft werden.

Soweit ich es überblicken kann, sind wir in Deutschland – noch vor Amerika – einer der ersten Märkte, die in den Genuss der Bücher kommen dürfen. Weitere Länder werden in den nächsten Monaten folgen. Dabei ist sehr erfreulich, dass die Folgebände bereits sicher eingeplant sind: Der dritte Band (Der Feuergeist) wird im Oktober erscheinen, der vierte und abschließende Band (Die Suche nach dem König) folgt dann Mitte Dezember.

Doch kommen wir zunächst zur Frage, ob sich das lange Warten auf die Reihe überhaupt gelohnt hat.

Asiatisches und koreanisches Setting

Bereits im ersten Band konnte sich die Reihe durch ein von koreanischen und asiatischen Motiven durchzogenes Setting wohltuend von anderen Genre-Vertretern abheben. Dies beschränkt sich nicht nur auf die wirklich erfrischenden Völker (Lekon, Dokebi, Naga), die sich weit über den Namen hinaus von bekannten Vertretern der westlichen Mythologie unterscheiden.

Auch sind bestimmte Handlungsabschnitte wie die Zollstraße, die Bedeutung von Schwüren, Ehre und Pflichten und die Reaktionen und Handlungen der Figuren merklich asiatisch oder zumindest deutlich „nicht-westlich“ geprägt.

Unterschiedliche Gewichtung

In Sachen Figuren hat sich nicht sonderlich viel getan. Im Grunde haben wir es also mit dem gleichen interessanten Figurenensemble zu tun. Allerdings hat sich die Gewichtung der einzelnen Figuren ein Stück weit verlagert. Unverändert steht Kaygon Draka immer noch im Mittelpunkt der Erzählung und zumindest seine Vergangenheit wird endlich ein Stück weit ausgeleuchtet.

Die bisherige zweite Hauptfigur Ryun verliert hingegen deutliche Anteile zugunsten von Samo Pey und macht sich seitdem nur noch durch pausenlose Quengelei bemerkbar. Ansätze, um anderen Figuren mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen (Tinahan) sind erkennbar, verlaufen aber weitestgehend im Sande.

Schnörkelloser Stil

Handwerklich handelt es sich um ein solides Werk ohne große Ausschläge nach oben oder unten. Der Autor bedient sich einer einfachen und klaren Sprache und setzt auf die bekannte und bewährte Mischung aus Humor und Action, um uns bei Laune zu halten.

Der Humor scheint vor allem in den wirklich herrlichen und bisweilen sehr trockenen Dialogen unserer Heldengruppe durch, zeigt sich aber auch in bestimmten Abschnitten wie der Zollstraße. Die Action-Szenen sind wieder einmal dynamisch und abwechslungsreich beschrieben und enthalten an der einen oder anderen Stelle explizite Beschreibungen von Gewalt und ihren Folgen.

Negativ aufgestoßen sind mir hingegen die beinahe schon comichaften Reaktionen auf einfache Aussagen, die insbesondere im Zusammenhang mit den Versammlungen der Menschen gehäuft auftreten. Eine einfache Aussage eines Gegenübers wird nicht einfach normal aufgenommen, man ist sofort aufs Äußerste entrüstet, erbleicht sofort, ist von Erstaunen ergriffen und so weiter. Glücklicherweise halten sich diese Versammlungen in Grenzen.

Erzählung nimmt keine Fahrt auf

Enttäuschend ist zudem das immer noch sehr langsame Erzähltempo. Natürlich kann der zweite Band einer vierbändigen Reihe nicht jedes Ereignis vorwegnehmen, schließlich soll die Spannung gehalten werden. Und ohne Kenntnis des Gesamtwerks kann ich natürlich kein abschließendes Urteil fällen.

Aber es ist schon auffällig, dass immer, wenn die Geschehnisse Fahrt aufnehmen, etwas dazwischenkommt und die Figuren erst einmal hundert Seiten diskutieren müssen, bevor sie den nächsten Schritt wagen. Und leider passiert in dieser Zeit auch nichts wirklich Relevantes – oder zumindest scheint es bislang so.

Dies ist insbesondere schade, da Young-Do zum einen in den Zwischenabschnitten zeigen kann, dass er grundsätzlich ein höheres Tempo beherrscht. Zum anderen warten wir Leser nur darauf, die von ihm entworfene faszinierende Welt endlich weiter bereisen zu können – gerade die zweite Hälfte des ersten Bandes hat eindrucksvoll bewiesen, welches Potential in dieser Welt schlummert.

Was bleibt?

Der träumende Krieger von Lee Young-Do gelingt es nicht ganz, das hohe Niveau des Vorgängers zu halten, stellt aber immer noch ein unterhaltsames Fantasy Werk dar. Mein größter Kritikpunkt ist sicherlich das langsame Erzähltempo mit (vermeintlich) redundanten Stellen – ein Schicksal, das zugegebenermaßen beinahe jeden Zwischenband einer mehrbändigen Reihe trifft. Abschließend beurteilen lässt sich dies aber erst im weiteren Verlauf der Reihe.

Ansonsten macht der Band aber vieles richtig und kann durch eine klare Prosa, viel Humor, gelungene Action-Szenen, interessante Figuren und vor allem durch ein unverbrauchtes Setting überzeugen. Wer also bereits den ersten Band mochte, der kann bedenkenlos zum zweiten Band greifen.

Ansprechendes Äußeres

Bei dem Buch an sich handelt es sich um ein handwerklich solides Produkt aus dem Heyne Verlag. Natürlich haben wir es hier mit einer Klebebindung zu tun – die allerdings absolut branchenüblich ist und den insgesamt mehr als fairen Preis (Man beachte die aktuellen Preise für Paperbacks!) ermöglicht. Auch sonst entsprechen Material und Verarbeitung genau den Erwartungen an diese Preisklasse.

Die Gestaltung durch Yi Suyeon setzt die bisherige Arbeit nahtlos fort und begeistert durch ein holzschnittartiges Covermotiv, eine schöne klassische Karte im Inneren und insgesamt einem guten Gefühl für Farben und kleinere Details. Der Anhang unterstützt das Leseerlebnis durch ein Personenverzeichnis sowie ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen. Die Übersetzung aus dem Koreanischen fertigten Sun Young Yun, Philipp Haas und Alexandra Schiefert an.

Pro/Contra

Pro
  • schnörkelloser Schreibstil
  • Faszinierendes Setting
  • Interessantes Figurenensemble
Contra
  • Stellenweise extrem langsames Erzähltempo

Fazit


Trotz des behäbigen Erzähltempos kann auch Der träumende Krieger von Lee Young-Do durch ein erfrischendes Setting überzeugen und richtet sich an alle Fantasy-Leser, die den eigenen Lesehorizont erweitern möchten.

autor: Lee Young-Do

Titel: Der träumende Krieger

Seiten: 622

Erscheinungsdatum: 2024 (2003)

Verlag: Heyne Verlag

ISBN: 9783453274624

übersetzer: s.o.

illustratorIn: /

Reihe: Die Legende vom Tränenvogel (2)

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt

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Aleshanee
Aleshanee
17.08.2024 07:49

Schönen guten Morgen!

Das ist natürlich schade, dass die Spannung hier immer wieder etwas ausgebremst und die Handlung in die Länge gezogen wird. Ich bin gespannt und hoffe, dass es beim nächsten Teil wieder etwas mehr Fahrt aufnimmt, denn die Reihe hat mich jetzt doch sehr neugierig gemacht. Da werde ich wohl abwarten, wie die Meinungen zu Band 3 ausfallen…
Vielen Dank für deine Einblicke!

Liebste Grüße, Aleshanee