Ein Mann im Anzug steht vor einem Bücherregal.

Klassikervorschau Frühjahr 2023


13.12.2022

  • Magazin

Eine aktuelle Klassikervorschau für den Herbst 2024 findet ihr ab sofort hier.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und damit ist es wieder einmal an der Zeit, die Frühjahrskataloge der Verlage durchzublättern und die Lektüre des nächsten Jahres zu planen.

Wie schon im letzten Jahr präsentiere ich euch an dieser Stelle meine höchst persönliche Auswahl, wobei ich den Begriff Klassiker abermals sehr weit gefasst und sowohl was Zeit, als auch was Genre angeht, großzügige Maßstäbe angesetzt habe.

Mein Kurzeindruck zum nächsten Halbjahr: Wirklich große Namen oder Neuübersetzungen scheinen dieses Jahr zu fehlen (So veröffentlicht etwa Hanser dieses Halbjahr keine Neuübersetzung …), aber das hat für sich erst mal nichts zu bedeuten. Insgesamt scheinen sich die Verlage aber was ältere Werke angeht, zurückzuhalten, bei einem nicht unbedeutend großen Teil der Neuveröffentlichungen handelt es sich um Werke aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Zeit wird wohl zeigen, ob es sich dabei um einen lang anhaltenden Trend handelt.

Hinweis: Soweit ich es überblicken konnte, habe ich mit meiner Vorschau sämtliche großen und mittleren Klassikerverlage abgedeckt. Sollte ich im Laufe der Zeit feststellen, dass ich Werke übersehen habe, werde ich dies natürlich nachholen und als Ergänzung deutlich machen. Dabei bin ich im Übrigen über jeden Hinweis dankbar!

(Stand: 12.12.2022)

Januar 2023

Knut Hamsun – Hunger (11.01.2023)

Ein junger Mann irrt durch eine Stadt, ohne Ziel und Daseinszweck, körperlich ausgezehrt, doch «vom fröhlichen Wahnsinn des Hungers gepackt». Das ist es, was ihn aufrecht hält: ein irrlichternder Geist, ein seismografisches Empfinden, eine fantastische Erfindungs- und Einbildungskraft.

Nicht, was in ihm geschildert wird – nämlich die manischen Ausgeburten von «Hirnfieber» bei Nahrungsentzug –, sondern, wie diese existenzielle Grenzerfahrung gestaltet ist, macht ihn zu einem Meilenstein der literarischen Moderne. Der desolaten Verfassung des Ich-Erzählers entspricht ein fiebriger Sprachduktus, der Scham und Größenwahn, Verzweiflung und Überspanntheit nicht nur behauptet, sondern erstmals eine eigene radikale Erzählweise dafür findet. Über weite Strecken im inneren Monolog gehalten, entwickelt Hamsun hier Stilmittel, die Jahrzehnte später Marcel Proust, James Joyce oder Virginia Woolf aufgreifen werden. Nie zuvor oder danach sind Entbehrung und Hunger – der nach Brot wie der nach Anerkennung und Liebe – mit so ergreifender Tragikomik wiedergegeben worden wie im Hauptwerk des späteren Nobelpreisträgers. Manesse

Ferenc Molnár – Die Jungen von der Paulstraße (18.01.2023)

Im Budapest der Jahrhundertwende haben die Jungen von der Paulstraße einen perfekten und geliebten Ort für ihre Spiele gefunden: Den »Grund«, einen Baugrund, auf dem sie aus Brettern ihre Festungen errichtet haben und für dessen Verteidigung sie zum Letzten bereit sind. Und das müssen sie sein, denn die Rothemden, die Jungen aus dem Botanischen Garten, haben einen Plan geschmiedet, um sie vom Grund zu vertreiben. Freundschaft, Verrat, verzweifelter Heldenmut und der tragische Ernst des Lebens – Molnárs klassische Jungsbandengeschichte bewegt junge und erwachsene Leser bis heute. Anaconda

Mary Hunter Austin – Wo wenig Regen fällt (26.01.2023)

Mehr als ein Jahrzehnt erkundete Mary Hunter Austin das Gebiet, das sie, nach seinem indianischen Namen, »Land of Little Rain« nannte und dem sie schließlich ihr erstes Buch widmete – geschrieben hat sie es in einem Monat, wie sie sagte. 1903 erstmals erschienen, hat es bis heute nichts von seiner Faszination und Leuchtkraft verloren. Reiseerzählung, Landschaftsbeschreibung, Memoir, ethnografischer Bericht – das Buch hat zahlreiche Facetten, ist aber vor allem ein literarisches Dokument der Liebe zu einem Land im Südwesten der USA, das heute die Mojave-Wüste und den Death-Valley-Nationalpark umfasst. Jung und Jung

Februar 2023

Blitzlichter: Aus den Tagebüchern der Brüder Goncourt (09.02.2023)

»Ein Gehirn, das mit vier Händen schrieb«, nannte Alain Claude Sulzer einmal die beiden Brüder Goncourt – sie lebten ihr gesamtes Leben lang unter demselben Dach, sie trafen zusammen die Pariser Bohème, sie teilten selbst die Geliebte. Vor allem aber schrieben sie zusammen ihr gefürchtetes Tagebuch. Dort notierten sie alles, was sie sahen, was gesagt wurde, was geschah; auch jeden Fauxpas, jede Peinlichkeit, jedes Gerücht und jede Intimität. Denn: Sie wollten die ungeschminkte Wahrheit. Manche Zeitgenossen mieden die Brüder, weil sie nicht in diesem Tagebuch landen wollten. Daraus veröffentlichte Auszüge sorgten für Skandale. Und erst 1956 konnte es erstmals unzensiert erscheinen. Sicherheitshalber in Monaco, außerhalb der französischen Gesetzgebung. Galiani

Arthur Conan Doyle – Sherlock Holmes: Die Rückkehr (01.02.2023)

Der berühmteste Detektiv der Weltliteratur ist zurück! Mit seinem Partner John Watson untersucht er heimtückische Taten und kniffelige Kriminalfälle, deren Lösung er mit seiner exzellenten Beobachtungsgabe und seinem analytischen Scharfsinn stets dicht auf der Spur ist. Seine neuen Abenteuer führen ihn kreuz und quer durch London und die umliegenden Städte, wo mysteriöse Verbrechen und heimtückische Gegner lauern. Doch die lange Zeit im Exil und die anstrengenden Strapazen seines Kräftemessens mit Moriarty sind auch an Sherlock Holmes nicht spurlos vorübergegangen. Einmal mehr muss er beweisen, dass er seiner Aufgabe als Londons Meisterdetektiv gewachsen ist. Coppenrath

Mary Shelley – Frankenstein (Illustrierter Roman) (22.02.2023)

In diesem Werk verbinden sich die Genies zweier Menschen, deren Wirken noch heute in der Kunst nachwirkt: Mary Shelley legte im Jahr 1818 mit »Frankenstein oder Der moderne Prometheus« einen wenn nicht den Urtext der Science Fiction und einen wegweisenden Klassiker der Horrorliteratur vor. Bernie Wrightsons Comics beeinflussten nicht nur den Stil seiner Ära, sondern auch den zahlloser Künstler nach ihm, darunter Größen wie Stephen King, Neil Gaiman, Guillermo del Toro und Mike Mignola. Wrightsons Illustrationen für »Frankenstein«, die er als unbezahlte Arbeit, aus reiner Liebe zum Werk anfertigte, gelten vielen Kennern als seine besten Werke. Diese Ausgabe umfasst den kompletten Originaltext von Mary Shelley, die originalen 47 schwarz-weißen Zeichnungen von Bernie Wrightson im Alben-Überformat sowie ein umfangreiches Vorwort von Stephen King. Splitter

März 2023

Jules Verne – Reise zum Mittelpunkt der Erde (01.03.2023)

„Steige hinab in den Krater des Sneffels Jökull, wackerer Reisender,
und du wirst zum Mittelpunkt der Erde gelangen.”
Diese Botschaft eines mittelalterlichen Alchemisten finden der wissbegierige Professor Lidenbrock und sein Neffe Axel in einem verschlüsselten Dokument.
Voller Erkenntnisdrang machen die beiden Wissenschaftler sich unverzüglich auf den Weg von Hamburg nach Island und steigen zusammen mit ihrem unerschütterlichen Führer Hans durch den Vulkan ins Innere der Erde.
Auf ihrer fantastischen Reise durch atemberaubende unterirdische Landschaften und diverse Epochen der Erdgeschichte machen sie höchst erstaunliche Entdeckungen und erleben spannende Abenteuer. Coppenrath

Jules Verne – In 80 Tagen um die Welt (01.03.2023)

Eine Reise um die Erde in 80 Tagen, also in 1 920 Stunden oder 115 200 Minuten – ist das möglich? Auf diese scheinbar aussichtslose Wette lässt sich im Jahr 1872 der exzentrische Gentleman Phileas Fogg ein und setzt dafür sein Vermögen aufs Spiel. »Und wann geht’s los?« – »Sofort.«

Gemeinsam mit seinem lebenslustigen Diener Jean Passepartout, 20 000 Pfund im Gepäck und einer beneidenswerten inneren Gelassenheit macht sich Fogg unverzüglich auf den Weg. Es ist der Startschuss zu einem der wohl bekanntesten literarischen Wettläufe gegen die Zeit und der Beginn einer turbulenten Abenteuerreise voll unvorhergesehener Ereignisse. Denn es ist nicht nur die Zeit, die damit droht, die Reisenden einzuholen. Coppenrath

Sebastian Brant – Das Narrenschiff (01.03.2023)

Das Narrenschiff Sebastian Brants, 1494 erschienen, ist einer der ersten Bestseller der Weltliteratur. Bis zu Goethes Werther war es das erfolgreichste Buch in deutscher Sprache und erfreute sich europaweit großer Beliebtheit. Mit den 112 Kapiteln seiner Moralsatire in Versen hielt Brant mit großen, derben, witzigen Worten seiner Zeit und ihren Lastern den Spiegel vor und wurde damit zum Urvater des Genres der Narrenliteratur. Bereichert wird dieser Band um 121 kunstvolle Illustrationen, deren Großteil einst sogar dem jungen Albrecht Dürer zugeschrieben wurde, ein Beleg für ihre hohe künstlerische Qualität. Als bildliche Interpretationen des Textes begründeten sie den Erfolg des Narrenschiffs mit und brannten sich ein ins kulturelle Gedächtnis. Anaconda Verlag

Hugh Lofting – Die Geschichte von Doktor Dolittle (13.03.2023)

Der Arzt John Dolittle lebt in dem kleinen Städtchen Puddleby-on-the Marsh, mit den Menschen kommt er nicht gut zurecht. Mit Tieren ist das ganz anders, selbst dem kranken Krokodil kann er helfen. Viele bleiben nach der Behandlung bei dem scheuen Doktor, suchen sich einen Platz im Garten oder im Haus, denn er beherrscht auch noch ihre Sprachen! Seiner griesgrämigen Schwester wird das alles zu viel, sie zieht aus. »Normale« Patienten kämen ohnehin nicht mehr in die Praxis…
Als in Afrika eine neue und unheilbare Tierkrankheit ausbricht, beschließen er und seine treuen Freunde, trotz Geldmangels ein Schiff zu chartern und zu dem unbekannten Kontinent aufzubrechen, um den Tieren dort zu helfen! Insel-Bücherei

Herbert Clyde Lewis – Gentleman über Bord (14.03.2023)

Ein wohlsituierter New Yorker Geschäftsmann stürzt urplötzlich in eine mentale Krise. Um zu gesunden, so spürt er, muss er seinen von grauem Erfolg geprägten Alltag hinter sich lassen, und kurzerhand tritt er eine Schiffsreise an. Kaum auf See, stellt sich die erhoffte Erleichterung tatsächlich ein, doch dann … macht er einen einzigen falschen Schritt und landet mitten im Pazifik, während sein Schiff sich immer weiter von ihm entfernt. Was denkt ein Mensch in solch einer Situation? Woraus schöpft er Hoffnung? Und wie blickt er nun auf sein Leben, dessen er vor Kurzem noch so überdrüssig war? Mit Gentleman über Bord gelang Herbert Clyde Lewis ein tiefgründiges, genial komponiertes Meisterwerk, das fast ein Jahrhundert lang weitgehend unbeachtet blieb und in der vorzüglichen Übersetzung von Klaus Bonn jetzt endlich auf Deutsch vorliegt. Mare Verlag

Iwan Schmeljow – Der toten Sonne (14.03.2023)

Es war der von seiner Begegnung mit dem bereits im Pariser Exil lebenden Iwan Schmeljow erschütterte Thomas Mann, der 1926 die Lektüre von Die Sonne der Toten (so der Titel deutschen Erstübersetzung) dringlich empfahl: Iwan Schmeljows Hauptwerk, eine epische Dichtung, wurde nach dem Erscheinen 1923 denn auch sogleich in ein Dutzend europäischer Sprachen übersetzt und von Thomas Mann für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde.
Der Roman erzählt vom mörderischen Wüten der Bolschewiki im Bürgerkrieg auf der Krim zu Beginn der Zwanzigerjahre … Die Andere Bibliothek

Knut Hamsun – Benoni (20.03.2023)

Benoni, Postbote in einem Ort in Nordland und völlig aussichtslos verliebt in Rosa, wird von dem reichen Kaufmann Mack angeheuert und zum Fischfang vor die Lofoten geschickt – und schließlich fast zu dessen rechter Hand. Um sich Benonis zu versichern, überredet der allmächtige Mack sein Patenkind Rosa, sich mit diesem zu verloben. Benoni ist außer sich vor Glück, aber dann taucht Rosas verschollener Verlobter Nikolai wieder auf – die Katastrophe ist vorprogrammiert.
    Wunderschön und zugleich urkomisch, mit atemberaubenden Schilderungen der Natur, der Nächte, in denen es nie dunkel wird, der wilden Stürme, der Lofotenfischerei, wo die Männer monatelang auf dem Meer sind. »Mein Lieblingsbuch!« – sagt Gabriele Haefs. Braucht es noch mehr, um diesen Klassiker des Literaturnobelpreisträgers Knut Hamsun anzupreisen, dem Gabriele Haefs mit ihrer Neuübersetzung seinen originalen Glanz zurückgeschenkt hat? Kröner Verlag

Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray, illustrierte Ausgabe (24.03.2023)

Das Bildnis des Dorian Gray ist gerade in Zeiten von Selfie-Kultur und Schönheitswahn eine erneute Lektüre wert – denn gäbe es einen Dorian des 21. Jahrhunderts, so hätte dieser wohl einen populären Instagram-Account. Im England des späten 19. Jahrhunderts besitzt er ein wundersames Porträt, das an seiner statt altert, während er sich hemmungslos seinen Vergnügungen und Ausschweifungen hingeben kann. Doch um sein Geheimnis zu wahren, bedarf es Mittel, die zu einem grausamen Verbrechen führen. Reclam

April 2023

Asta Nielsen – Im Paradies (05.04.2023)

Sie war der Star des deutschen Stummfilms. Aber was die wenigsten wissen: Asta Nielsen konnte auch schreiben. Und wie! Mit einem untrüglichen Sinn für die Einzigartigkeit und Tragikomik des menschlichen Daseins. Im Paradies versammelt die besten ihrer Geschichten. Kat Menschik hat den Band grandios illustriert und ausgestattet. Galiani

Ludwig Tieck – Wilde Geschichten (05.04.2023)

Er galt als »König der Romantik«, brachte Deutschland mit seinen Übersetzungen Shakespeare und Cervantes nahe, war genialer Entdecker, Förderer, Vorleser – doch seine eigenen frühen Erzählungen, in denen er Wahnsinn, Raserei, Furcht und Schrecken literaturfähig macht, gilt es erst noch zu entdecken. Galiani

Gwendolyn Brooks – Maud Martha (05.04.2023)

Maud Martha Brown wächst in den 1940ern in der South Side von Chicago auf. Inmitten von verfallenen Kneipen und überwucherten Gärten träumt sie von New York, von der großen Liebe, von einer heiteren Zukunft. Sie schwärmt für Löwenzahn, verliebt sich das erste Mal, dekoriert ihre erste eigene Küchenzeile, bekommt ein Kind. Auch ihr hellhäutigerer Mann hat Träume: vom «Foxy Cats Club», von anderen Frauen, vom Krieg. Und dann ist da als allgegenwärtiger Begleiter noch der Rassismus dieser Zeit, angesichts dessen es nicht immer leicht fällt, Gleichmut und Würde zu bewahren.

In lakonischen Vignetten skizziert Gwendolyn Brooks den Alltag einer jungen Schwarzen Frau und erschafft dabei große Weltliteratur. Manesse

János Székely – Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann (05.04.2023)

Während im Sommer 1944 deutsche Soldaten ungarische Dörfer plündern, stellen sich die Bauern in Kákásd immer noch dieselbe Frage wie vor 700 Jahren: Wie sollen sie leben von dem Lohn, den sie vom Grafen erhalten? Ein Streik könnte alles ändern. Doch in einer Zeit, in der ein Menschenleben billig und Weizen teuer ist, stehen die Chancen auf Erfolg schlecht. Ein junges Liebespaar auf der Flucht und ein Bauer bringen jedoch etwas ins Rollen, und das Leben im Dorf gerät aus den Fugen. Diogenes

Mai 2023

Marie Vieux-Chauvet – Der Tanz auf dem Vulkan (03.05.2023)

Port-au-Prince 1792: Minette ist die Tochter einer freigelassenen Sklavin. Dank ihrer außergewöhnlichen Gesangsstimme darf sie als erste Farbige im Theater von Port-au-Prince auftreten. Auf den Zuschauerrängen sitzen die Kolonialherren. Sie sind durch die harte Arbeit ihrer Sklaven reich geworden und kopieren die Pariser Lebensart. Doch unter der Oberfläche brodelt es schon lange. Die Ausbeutung von Mensch und Natur schürt soziale und ethnische Spannungen. Minette verliebt sich in einen erfolgreichen Freigelassenen. Als sie jedoch bemerkt, dass er seine Sklaven genauso brutal behandelt wie die Weißen, bricht sie mit ihm und schließt sich einer Untergrundorganisation an. Manesse

Michel de Montaigne – Essais (24.05.2023)

Was hat es eigentlich mit dem Menschsein auf sich? Worin besteht das spezifisch Humane in uns? – Das fragt sich Michel de Montaigne in seinen «Essais» immer von Neuem und unterhält sein Publikum mit Selbstgesprächen, Anekdoten, geistreichen Aperçus und Zitaten. Im Weinen und Lachen, im Lieben und Hassen, im süßen Nichtstun, im Rausch und im Sterben sucht er nach Aufklärung über die zentralen Grundtatsachen des Menschenlebens. Den Krieg hält er für ein Übel, das Streben nach Erkenntnis für unverzichtbar und innere Wahrhaftigkeit für eine Pflicht. Widersprüchlich und subjektiv wie das Leben selbst, gibt er in klarer Sprache Antworten, die bis heute zum Nachdenken anregen. Montaignes gedankenreicher Skeptizismus, sein heiterer Tiefsinn und seine Gedankenschärfe haben in vier Jahrhunderten nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Diese Neuausgabe der «Essais» enthält die deutsche Referenzübersetzung von Herbert Lüthy, kritisch durchgesehen und neu gesetzt. Manesse

Boleslaw Prus – Die Puppe (25.05.2023)

Stanisław Wokulski hat es geschafft. Vermeintlich. Der aus einer verarmten Adelsfamilie stammende Kaufmann ist während des Russisch-Osmanischen Kriegs 1877/78 zu einem der wohlhabendsten Männer Warschaus aufgestiegen. Sein Vermögen soll einem höheren Zweck dienen: Wokulski ist unsterblich in Izabela Łęcka verliebt, mit seinem Reichtum hofft er, den Standesunterschied zwischen sich und der kapriziösen Aristokratentochter wettzumachen. Doch die Angebetete hält ihn hin. Erst als der Parvenü immer einflussreicher wird, stimmt sie der Heirat zu. Als Wokulski merkt, dass sich Izabela trotzdem weiterhin Flirts hingibt, wirft er sich vor den Zug. Sein Selbstmordversuch misslingt, doch kurz darauf verlässt er Warschau … Kampa

Juni 2023

Mark Aldanow – Der Anfang vom Ende (13.06.2023)

Hauptschauplatz ist das Paris Ende der 1930er Jahre, der «Anfang vom Ende» des alten Europa liegt in der Luft. Die Geschichte beginnt in einem Zug von Moskau Richtung Berlin. Ein sowjetischer Botschafter befindet sich auf dem Weg in den Westen, um eingefrorene diplomatische Beziehungen wieder aufzunehmen. In seiner Begleitung befinden sich u. a. ein alter Militär, ein Berufsrevolutionär, der mit sich und seiner kommunistischen Vergangenheit zu hadern beginnt, sowie eine linientreue Botschaftssekretärin mit schriftstellerischen Ambitionen. In Paris kämpft derweil ein berühmter französischer Autor mit dem Stoff für seinen neuen Roman, während sein junger Sekretär einen Mord wie aus einem Dostojewski-Roman plant. Rowohlt

Matthew Phipps Shiel – Die purpurne Wolke (19.06.2023)

Adam Jefferson heißt dieser Mensch, der Ich-Erzähler dieses „postapokalyptischen“ Romans. Auf dem Schiff Boreal wird er sich als Arzt, Botaniker und meteorologischer Assistent einer fünfköpfigen britischen Expedition zum Pol anschließen – nur einer unter ihnen kann als erster Mensch den Pol erreichen, ihm winkt unermesslicher Reichtum.

Als einziger Überlebender tritt Adam Jefferson einen Rückmarsch von epischer Dimension durch das ewige Eis in die Zivilisation an und wird entdecken: tote Tiere und tote Menschen. Eine purpurne und giftige Wolke ist nach einer vulkanischen Explosion im pazifischen Ozean von Ost nach West um den Globus geweht. Die Menschheit ist einem purpurnen Gas mit dem Aroma von Pfirsichblüten zum Opfer gefallen. Der letzte Überlebende findet sich in einer unbewohnten Welt wieder, in unermesslicher Einsamkeit, umgeben von Kadavern und Relikten. In einer jahrzehntelangen Odyssee und in einem irren Rausch aus Vernichtung und Allmachtswahn irrt er über die Meere durch die ausgestorbenen Städte der Welt, um die Monumente der Vergangenheit zu zerstören, verbrennt London und Paris, Rom und Venedig, Peking oder Konstantinopel. Aber ihm wird begegnen, was er vor allem gefürchtet hat, ein weiterer Mensch ist auf der Erde verblieben – eine Frau, eine Eva. Die Andere Bibliothek

Theodor Fontane – Ein Sommer in London (19.06.2023)

In seinem ersten Prosaband kombiniert Fontane geschickt seine eigenen Erfahrungen aus dem Sommer 1852 mit ausgewählten Texten zu einem Kaleidoskop der britischen Metropole. Er beschreibt das Gewimmel auf dem Fluss und den Straßen, kühne Brücken und monotone Wohnviertel, die noch unfertigen »Parlamentshäuser«, den Tower, Westminster Abbey und die idyllische Umgebung Londons. Witzig, kritisch und pointiert kommentiert der junge Dichter Kunstausstellungen, Kaffeehäuser und Kneipen, »Musikmacher«, Straßenmaler und Wahlkämpfer, patriotische Veteranen und »Matrosendirnen«, deutsche Flüchtlinge und »verengländerte Deutsche«. Diese Ausgabe gewährt tiefe Einblicke in die Werkstatt eines talentierten Journalisten in preußischen Diensten, eines ehrgeizigen deutschen Dichters, der sich wie kein anderer seiner Generation der anglophonen Welt öffnete. Aufbau Verlag

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Charlotte Perkins Gilman – Die gelbe Tapete & Herland (28.06.2023)

Charlotte Perkins Gilmans einflussreichste Werke in einem Band: Mit der feministischen Horrorerzählung »Die gelbe Tapete« gelang ihr 1892 der Durchbruch. Eine junge Frau wird nach der Geburt ihres Kindes zu strikter Schonung verdammt, im Bett einer Dachkammer mit vergitterten Fenstern soll sie sich erholen, von ihrem Ehemann und dem Arzt streng überwacht. Doch die Muster der Wandtapete führen ein unheilvolles Eigenleben … In Gilmans utopischem Roman »Herland« brechen drei abenteuerlustige Männer auf zu einem geheimnisvollen »Frauenland«; die Realität der friedlichen Frauengesellschaft wird das Welt- und vor allem Frauenbild der drei für immer verändern. Als erste klassisch feministische Utopie ist »Herland« in die Literaturgeschichte eingegangen. Anaconda Verlag

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Auf welche Klassiker freut ihr euch im neuen Jahr?

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Tanja von Der Duft von Büchern und Kaffee

Hallo Eugen,

ich finde es klasse, dass du in diesem Beitrag ganz gezielt nur die Klassiker ins Visier nimmst.

Ich selbst greife eher selten zu Klassikern, was ganz klar ein Fehler ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Geschichten nach dem Lesen oft noch lange nachwirken.

Vielleicht braucht es manchmal ein wenig reinzukommen, gerade, wenn der Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig – gerade im Vergleich zu neueren Werken – daherkommt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich gerade hier aber “dranbleiben” lohnt.

Welches Buch/welche Bücher aus deiner Aufzählung spricht/sprechen dich denn ganz besonders an? Wirst du das ein oder andere davon lesen wollen?

Ich wünsche dir einen schönen Start ins Wochenende.

Liebe Grüße
Tanja

Eugen
21.01.2023 06:19

Guten Morgen Tanja,

Vielen Dank! Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie du – der Anfang kann (muss aber nicht!) etwas Mühe kosten, aber nach einer kurzen Übergangszeit legt sich das Ganze.
Und um ehrlich zu sein, hat sich das Ganze bei mir mittlerweile umgekehrt: Wenn ich einen Gegenwartsroman abseits der phantastischen Genres lese, dann brauche ich eine Weile, um den richtigen Zugang zu finden  😅 

Es fällt mir schwer, aus dieser Liste ein Buch auszusuchen, dass ich zumindest auf lange Sicht nicht lesen möchte  🤔 
Fest eingeplant für dieses Jahr sind auf jeden Fall der nächste Doyle-Band, die Geschichten von Asta Nielsen (allein schon wegen Kat Menschiks Illustrationen), Der toten Sonne von Iwan Schmeljow, Die purpurne Wolke (auch wenn der Verlag das Phantastik-Label tunlichst vermeidet…), der Doppelband von Charlotte Perkins Gilmanund – sollten die Übersetzungen stimmen – auch die Verne-Bände.

Eigentlich möchte ich alle lesen, aber solange ich nicht unverhofft an Zeit und Geld gelange, wird das wohl ein Traum bleiben  😂 

Ich wünsche dir auch noch ein schönes Wochenende!

Liebe Grüße,

Eugen

Aleshanee
Aleshanee
20.01.2023 06:09

Guten Morgen!

Deine schöne Vorschau hab ich heute gerne in meiner <a href=”https://blog4aleshanee.blogspot.com/2023/01/stoeberrunde-80.html”>Stöberrunde</a> verlinkt 🙂

Liebste Grüße, Aleshanee

Eugen
21.01.2023 05:47
Antwort an  Aleshanee

Guten Morgen Aleshanee!

Vielen Dank für das Verlinken, ich werde mir die Beiträge der Stöberrunde in einer ruhigen Minute mal anschauen  🙂 

Liebe Grüße,

Eugen

trackback

[…] Ausblick: Neue Comics Januar bis März 2023 Nochmal bei Booknapping 🙂 … Sandra verrät uns auch einige Comics und Manga, auf die sie 2023 besonders gespannt ist und ich bin das jetzt auch. 😉 Während es auf Elementares Lesen einen Ausblick auf Sachbücher in 2023 gibt Vorfreuden für Leseratten – Frühjahr 2023 … gibt es im Bücherbriefe-Blog derweil einen Ausblick auf Klassiker Klassikervorschau Frühjahr 2023 […]

Aleshanee
Aleshanee
13.12.2022 07:06

Schönen guten Morgen!

Ich lese ehrlich gesagt sehr wenige Klassiker, da ich oft mit den Themen nicht so viel anfangen kann bzw. mit deren Umsetzung oder auch mit dem Stil…
Natürlich hab ich schon ein paar gelesen die mir gefallen haben, z. B. Der Sommernachtstraum und Romeo und Julia, Der geheime Garten, Frankenstein, Reise zum Mittelpunkt der Erde, Dracula, Die drei Musketiere …
Und ich hab mir auch vorgenommen, nächstes Jahr zumindest 2-3 von Jules Verne zu lesen. Außerdem endlich auch Sherlock Holmes von Conan Doyle. Holmes mag ich ja in sämtlichen Adaptionen, aber die Originale kenne ich leider noch nicht.

Liebste Grüße, Aleshanee

Eugen
14.12.2022 05:50
Antwort an  Aleshanee

Schönen guten Morgen Aleshanee!

Ich glaube wenn wir alle das gleiche lesen würden, dann wäre die Welt ein sehr langweiliger Ort 🙂

Jules Verne steht bei mir auch schon seit längerem auf meiner Liste. Ich habe zwar als Kind das eine oder andere Werk gelesen, aber ich vermute stark, dass es sich um gekürzte Ausgaben gehandelt hat – da kommen mir die Neuausgaben gerade recht!

Liebe Grüße,

Eugen

Aleshanee
Aleshanee
14.12.2022 06:48
Antwort an  Eugen

An sich bin ich ehrlich gesagt kein so großer Freund von den ständigen “Neuausgaben” und “Neuübersetzungen”.
Wobei ich jetzt nicht weiß, wie oft das bei Klassikern vorkommt, mir fällt jetzt spontan “Interview mit einem Vampir” ein, dass ja grade neu übersetzt rauskam und das wollte ich dann extra nicht, sondern das “alte”. Ich hab oft das Gefühl, dass in den neuen Uebersetzungen vieles oft verschlimmbessert wird.

Oder die Redwall Saga. Ist ja fast auch schon ein KLassiker 😀 Kommt jetzt neu raus, was mich an sich eigentlich gefreut hat, weil die alten schwer zu bekommen sind. Allerdings scheint die Uebersetzung hier teilweise komisch geworden zu sein, grade mit den Namen, die eingedeutscht wurden, was für mich hier einfach nicht passt.

Ich liebe ja Harry Potter und Herr der Ringe – aber muss es da gefühlt jedes Jahr eine Neuauflage mit neuen Covern geben? Weißt was ich meine? 😉

Aber insgesamt ist es natürlich toll, wenn alte Werke neu aufgelegt werden,weil man sie ansonsten schwierig bekommt. Ich hoffe, ich schaffe es im nächsten Jahr endlich, einiges an Klassikern zu lesen.

Eugen
15.12.2022 05:53
Antwort an  Aleshanee

Ich glaube das hängt auch immer wieder von der Ausgangslage ab. Ich persönlich brauche auch nicht die 20. Sherlock Holmes Übersetzung innerhalb von 5 Jahren, aber ab und zu gehören (besonders alte) Übersetzungen überdacht. Dass die neuen Übersetzer dabei möglicherweise alles verschlimmbessern ist dann leider unumgänglich – gerade wenn man selbst mit der alten Übersetzung aufgewachsen ist. Mir fällt es beispielsweise schwer, Pratchett Übersetzungen zu akzeptieren, die nicht von Andreas Brandhorst stammen. 😅
Sinnvoll wird es insbesondere dann, wenn es um alte Werke (Heyne Phantastik der 80er!) geht, die nur gekürzt auf dem deutschen Markt verfügbar waren – da bietet sich eine Neuübersetzung gleich an!

Herr der Ringe und Harry Potter sind natürlich wunderbare Beispiele dafür, wie man mit alten Werken noch Geld machen kann. Ich gönne das den Verlagen und hoffe insbesondere, dass dadurch andere gewagtere Projekte querfinanziert werden – wobei ich da natürlich immer wieder selbst in Versuchung gerate…
Gerade bei Harry Potter bin ich gespannt, wann die Verkaufszahlen so einbrechen, dass mit einer Neuübersetzung mediale Aufmerksamkeit generiert werden soll 🤔

Der Vorteil an Neuübersetzungen ist natürlich, dass die Preise für die alten Ausgaben gesenkt werden. Es ist teilweise schon sehr frech, was für alte Taschenbücher verlangt wird, die so nicht mehr angeboten werden. Und dann kann man sich ja bewusst für die alte Übersetzung entscheiden 🙂

Aleshanee
Aleshanee
15.12.2022 08:48
Antwort an  Eugen

Oh ja! Die Uebersetzungen von Brandhorst sind absolut genial! Ich hatte da mal eine neue Uebersetzung versucht aus der Scheibenwelt, ich weiß grade gar nicht mehr, welcher Band das war, aber das war so gar nicht mehr “richtig”. Die ganze Stimmung und der Humor war nicht so wie er sein sollte 🙂

Es gibt natürlich durchaus sinnvolle Neuauflagen, grade eben von älteren Werken, die es ja teilweise dann auch gar nicht mehr gibt oder eben nur gebraucht. Was ich schade finde. Da freut man sich dann natürlich!