Auf einer Holzfläche liegt ein Buch mit dem Titel „Tintenblut“ von Cornelia Funke. Das Buch hat einen verzierten Einband mit bunten Illustrationen und verzierten Buchstaben.

Tintenblut

von Cornelia Funke


08.11.2024

  • Fantasy

Cornelia Funke begeisterte mit dem ersten Teil ihrer Tintenwelt-Reihe ein Millionen-Publikum. Gelingt es ihr, mit der Fortsetzung Tintenblut diesen Erfolg zu wiederholen?

Zurück in der Tintenwelt

Endlich hat es Staubfinger zurück in die Tintenwelt geschafft – doch mit ihm sind auch Feinde vergangener Tage zurückgekehrt. Meggie und Farid setzen alles daran, ihn vor dieser Bedrohung zu beschützen – können sie ihn noch rechtzeitig erreichen? Und ist die Tintenwelt nach zehn Jahren immer noch der Sehnsuchtsort vergangener Tage?

Nachfolger des Welterfolgs

Nach dem Erfolg des Millionen-Bestsellers Tintenherz (2003) war es nur eine Frage der Zeit, bis mit Tintenblut (2005) eine Fortsetzung folgen sollte. Der Vorgänger hätte als Einzelband für sich stehen können, ließ aber genug Raum für eine Fortsetzung. Doch war die Rückkehr von Zauberzunge, Staubfinger und Co. wirklich eine gute Idee?

Neue Ebenen

Der erste Band überzeugt in erster Linie dadurch, dass er eine in Romanform verfasste Liebeserklärung an die Literatur und das (Vor)Lesen darstellt. Auf jeder Seite ist die Liebe zur Literatur zu spüren. Sei es durch zahlreiche Anspielungen, die Figuren (immerhin spielt ein Buchbinder die Hauptrolle!) oder durch Kernbestandteile der Handlung. Kurzum: ein Paradies für jede Leserin, für die Bücher mehr als nur abgedruckte Texte darstellen.

Der zweite Band schlägt eine ähnliche Richtung ein, macht aber (dankenswerterweise) vieles anders. Keine Sorge. Auch hier ist der gesamte Roman durchzogen von Anspielungen für kleine und große Literaturnerds. Aber während wir im ersten Band erleben durften, was passiert, wenn man Literaturfiguren in die Realität liest, erfüllen wir uns nun unsere Kindheitsträume: Wir tauchen in eine Buchwelt ein und erleben die Höhen und Tiefen, die eine solche Reise mit sich bringt.

Bildhafte Sprache

Handwerklich bewegen wir uns in gewohnten Fahrwassern. Wie schon im ersten Teil bedient sich die Autorin einer bildhaften und lebendigen – beinahe sinnlichen – Sprache. Wohl nicht unbeabsichtigt erzeugt sie damit eine wohlige Lagerfeuer-Atmosphäre. Mühelos gelingt es ihr, die Tintenwelt und ihre Figuren zum Leben zu erwecken und uns in die Geschichte zu saugen.

Xena in Literaturform?

Und was für eine Welt wir erleben dürfen: Waren wir zuvor an der italienischen Küste „gefangen“, so kann Funke in der mittelalterlich anmutenden Tintenwelt frei aufspielen. Selbstredend hat sich der Fantasy-Anteil deutlich erhöht, nimmt aber nicht so viel Platz ein, wie man erwarten würde.

Die Tintenwelt ist in zwei klar umrissene Lager aufgeteilt: Auf der einen Seite erwartet uns der gute Speckfürst, auf der anderen der böse Natternkopf und dazwischen allerlei Gesindel, Ritter und Spielleute. Die einzelnen Elemente sind nicht wirklich nachvollziehbar miteinander verbunden, was aber in keiner Weise schlimm ist. Es geht hier schließlich nicht um eine realistische Welt, sondern um eine Welt, die sich eine kindliche Leserin vorstellt. So manches Mal habe ich mich an eine 90er-Jahre-Trash-Fantasy-Serie (Xena, Hercules) erinnert gefühlt – aber im positiven Sinne!

Abwechslungsreicher Plot

Den Plot scheint Funke dieses Mal besser im Griff zu haben. Der erste Band war mit seinen nicht enden wollenden Wiederholungen zum Ende hin nur noch ermüdend. Hier können wir uns über eine deutlich abwechslungsreichere und breitere Handlung mit viel mehr Figuren freuen. Dieses Mal endet die Geschichte zudem mit einem waschechten Cliffhanger – der dritte Band sollte griffbereit danebenliegen.

Neben Staubfingers Rückkehr, der Reise von Meggie und Farid und Mortimers Eichelhäher-Strang liegt ein Schwerpunkt auf den tragisch-komischen Geschehnissen rund um Fenoglio. Diesem ist die Kontrolle über seine Schöpfung entglitten. Verzweifelt – und oftmals vergeblich – versucht er nun, sein Lebenswerk wieder unter seine Kontrolle zu bringen.

Auch dieses Mal – mehr noch als im ersten Band – spielen Gewalt und der Tod eine Rolle. Aber auch hier handelt es sich eher um Andeutungen, explizite Beschreibungen wird man hier nicht finden.

Interessante Figuren

Bei den Charakteren hat sich die Rollenverteilung deutlich verschoben. Vorbei sind die Zeiten, in denen Mortimer und Meggie die Handlung allein trugen: Die Last wird auf verschiedene Schultern verteilt.

Staubfinger nimmt beispielsweise eine deutlich größere und auch sympathischere Rolle ein. Von Mortimer sehen wir hingegen viel weniger und wenn, dann in einer ungewohnten Rolle. Meggie erreicht das Teenager-Alter und trifft entsprechende Entscheidungen. Elinor wurde bedauerlicherweise gemeinsam mit Orpheus in Wartestellung versetzt.

Daneben gibt es noch eine Reihe von wundervollen Nebenfiguren (Wolkentänzer, der schwarze Prinz, Resa, Roxane), die diese Welt lebendig machen. Das gilt sogar für die Antagonisten, stellt der Natternkopf doch eine wesentlich interessantere Figur dar als der eindimensionale Capricorn. Wie schon beim ersten Band gilt hier: Vielleicht handelt es sich um schablonenhafte Figuren, dafür handelt es sich aber um ästhetische Schablonen.

Was bleibt?

Tintenblut von Cornelia Funke bewegt sich auf anderen Pfaden als sein Vorgänger, ohne sich völlig abzukapseln. Der erste Band konnte vor allem als literarische Liebeserklärung überzeugen, hatte aber deutliche Schwächen. In Tintenblut steht dieser Aspekt im Hintergrund, dafür wurden viele Schwächen ausgemerzt.

Natürlich handelt es sich immer noch um ein Jugendbuch. Aber der Plot ist deutlich abwechslungsreicher und die Tintenwelt hält zahlreiche Überraschungen bereit. Stilistisch begeistert die Autorin durch eine bildhafte und lebendige Sprache. Eine gelungene Fortsetzung, die Fans des ersten Buches begeistern wird.

Liebevoll gestaltetes Buch

Auch bei diesem Band aus dem Dressler Verlag handelt es sich um ein liebevoll gestaltetes Buch. Bereits das wunderschöne Cover kann mit vielen kleinen Details begeistern, die einen Bezug zur Geschichte aufweisen. Daneben gibt es ein farblich abgestimmtes Leseband und ganz allgemein ein stimmiges Gesamtprodukt.

Zu Beginn jedes Kapitels dürfen wir uns an einem passenden Zitat aus anderen Werken erfreuen. Am Ende erwartet uns meist noch eine wirklich schöne kleine Illustration der Autorin höchstselbst. Im Anhang erwarten uns unter anderem noch ein Personenverzeichnis und eine hilfreiche Karte der Tintenwelt.  

Pro/Contra

Pro
  • Bildhafte Sprache
  • Abwechslungsreicher Plot
  • Liebeserklärung an das Lesen
Contra
  • Eindimensionale Figuren
  • Welt nicht völlig durchdacht

Fazit


Tintenblut von Cornelia Funke stellt eine gelungene und konsequente Fortsetzung dar, die viele Schwächen des ersten Bandes ausmerzt. Fans des ersten Bandes können bedenkenlos zugreifen!

autorin: Cornelia Funke

Titel: Tintenblut

Seiten: 707

Erscheinungsdatum: 2005

Verlag: Dressler Verlag

ISBN: 9783791504674

Übersetzer: –

illustratorin: Cornelia Funke

Reihe: Tintenwelt (2)

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Aleshanee
Aleshanee
10.11.2024 06:10

Schönen guten Morgen!

Eine interessante Rezension! Deine Verbindungen zu „Trash Fantasy“ kann ich aber ehrlich gesagt hier nicht nachvollziehen… aber das macht ja nichts. Ich hab ja schon beim ersten Band für den Stil geschwärmt und ja, auch wenn die Charaktere in ihrem Verhalten sehr eingeteilt sind, finde ich sie teilweise doch facettenreich, je mehr man sie kennenlernt. Und ich mag sie einfach sehr 🙂 Vor allem der Schreibstil und die Tintenwelt, in die wir hier eintauchen können, mit den ganzen fantasievollen Namen und den verstrickten Abenteuern, die hier auf uns warten, ich war und bin immer noch sehr begeistert! Ich hab die Trilogie ja dreimal gelesen bisher und mich konnte sie immer vom ersten bis zum letzten Moment komplett packen und verzaubern <3

Liebste Grüße, Aleshanee

Aleshanee
Aleshanee
10.11.2024 16:40
Antwort an  Eugen

Ah, ok, dann weiß ich, was du damit sagen wolltest. Auch wenn ich das nur zum Teil auch so sehe. Ob ich mir die Tintenwelt „außerhalb“ vorstellen kann … darüber hab ich ehrlich gesagt gar nicht groß nachgedacht. Ich denke aber schon. Auch wenn ich immer die Begrenzung vor Augen hatte, die ja das Buch dazu irgendwie dieser Welt auferlegt hat, obwohl dass dann natürlich immer mehr verschwimmt bzw. ausgeweitet wird.
Ich bin jedenfalls jedes Mal so in der Geschichte versunken, dass mir sowas überhaupt nicht aufgefallen oder in den Sinn gekommen ist. Und so muss das sein 😀 Wenn mich die Handlung so in den Bann zieht, dass ich mir keine Gedanken mache sondern mich darin verliere, dann hat die Autorin hier – zumindest für mich – alles richtig gemacht 😉

Dass das nicht jedem so geht ist mir schon klar. Interessant zu sehen, wo andere hier ihre Kritikpunkte haben!