Auf einer Holzfläche liegt ein deutsches Buch mit dem Titel „Isaac und das Ei“ von Bobby Palmer.

Isaac und das Ei

von Bobby Palmer


18.07.2023

  • Phantastik

Mit Isaac und das Ei wählte Bobby Palmer für sein Romandebüt ein ebenso sensibles wie unumgängliches Thema: Wie können wir mit dem Schmerz und der Trauer umgehen, die mit dem Tod eines geliebten Menschen unweigerlich einhergehen? Ist das Leben danach überhaupt noch lebenswert? Und was hat ein Ei damit zu tun?

Der Tod eines geliebten Menschen

Isaac Addy ist keine dreißig Jahre alt und fest dazu entschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Nachdem seine Frau Mary auf tragische Weise gestorben ist, ist ihm jeder Lebensmut entfallen. Über Wochen versucht er vergeblich, seinen Schmerz im Alkohol zu ertränken. Doch mit jedem verstrichenen Tag erscheint ihm das Leben nur noch trostloser und einsamer als zuvor.

Eines Nachts soll es so weit sein: Er klammert sich an die Brüstung einer einsamen Brücke. Bereit zu springen. Ihm entringt ein letzter anklagender und verzweifelter Schrei. Jetzt nur noch loslassen. Doch zu seiner Überraschung wird sein Schrei erwidert. Dabei ist weit und breit keine Menschenseele. Völlig perplex begibt er sich auf die Suche nach der Quelle dieser nächtlichen Störung.

Und tatsächlich wird er fündig: Es handelt sich um ein … quicklebendiges … Ei. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten kreisen Isaacs Gedanken um etwas anderes als um seine tote Frau. Er beschließt, seinen Sprung – vorerst – zu verschieben und die Geheimnisse dieses ungewöhnlichen Wesens zu ergründen.

Kein einfaches Romandebüt

Bobby Palmer betritt mit seinem Debüt Isaac und das Ei die große literarische Bühne. Zuvor war der junge Brite als Journalist tätig und schrieb für Zeitschriften wie die Men’s Health oder die GQ.

Als übergeordnete Thematik für sein Erstlingswerk wählte er mit der Trauerbewältigung eine nicht gerade originelle, aber zeitlose Thematik. Wirklich neugierig macht letztlich nur der Kniff mit dem Ei. Doch kann ein Ei diesem Thema wirklich Neues hinzufügen, ohne (allzu sehr) ins Lächerliche abzugleiten?

Schwieriger Stoff

Trauer und Verlustbewältigung sind sensible, subjektive und individuelle Bereiche. Für einen Autor handelt es sich daher um ein undankbares Motiv: Geht er zu sehr in die Tiefe, dann wird es ihm nie gelingen, die Erwartungen aller Leser zu treffen. Gleichzeitig droht ihm im umgekehrten Fall schnell der Vorwurf der Oberflächlichkeit.

Ein unwiderstehliches Duo

Bobby Palmer entscheidet sich für einen eleganten Weg und stellt den Bewältigungsprozess anhand Isaacs Beziehung zum Ei dar. So wie eine Freundschaft ihre Höhen und Tiefen hat, so verläuft auch der Heilungsprozess nicht immer geradlinig. Und auch wenn wir nicht jeden Schritt mitverfolgen (kleine Zeitsprünge sind ein gern genutztes Mittel), so kann man an dem Verhältnis der außergewöhnlichen Wohngemeinschaft ablesen, wie es um Isaacs Zustand bestellt ist.

Wie es sich für eine gute Buddy-Geschichte gehört, erleben wir mit den beiden brenzlige Abenteuer. Lachen über kleinere und größere Missgeschicke und verdrücken das eine oder andere Mal eine Träne. Spielerisch gelingt es uns, eine Bindung zu beiden Figuren aufzubauen. Glücklicherweise verzichtet der Autor auf oberlehrerhafte oder sachbuchartige Darstellungen. Natürlich erhalten wir exemplarisch detaillierte und intensive Einblicke in Isaacs Innenleben. Doch diese halten sich in Grenzen.

Geteiltes Bild bei den Nebenfiguren

Ebenfalls eine große Rolle spielt Isaacs tote Frau Mary, der wir in zahlreichen Rückblenden begegnen. Palmer nimmt uns mit von der ersten Begegnung bis zu ihrem tragischen Tod. Auch wenn der Verlauf dieses Handlungsstrangs wenig originell und teilweise vorhersehbar ist, fügt er eine weitere emotionale Komponente hinzu.

Nicht zuletzt ist das Buch durchzogen von popkulturellen Anspielungen. Freunde des Kinos werden durch zahlreiche Erwähnungen voll auf ihre Kosten kommen. Insbesondere E. T. spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Palmer scheint selbst mit einem Auge auf eine Verfilmung zu schielen. Viele Szenen wirken so, als seien sie für Film und Fernsehen konzipiert worden.

Stilistisch unausgereift

Alles in allem geht Palmer souverän mit diesem Thema um – gerade für einen Debütroman eine beachtliche Leistung. Leider merkt man seinem Stil den Erstling an. Palmer neigt zu ellenlangen Sätzen und ist fest entschlossen, bis zum bitteren Ende daran festzuhalten.

Egal ob es sich um actionreiche, humorvolle oder nachdenkliche Szenen handelt – regelmäßig begegnen uns zeilenlange Bandwurmsätze, die es zu überwinden gilt. Auch fehlt es den Dialogen ein Stück weit an Esprit – weite Teile des Humors zehren von der absurden Situationskomik. Das ist schade, da ein Ei einiges an Potential geboten hätte.

Was bleibt?

Isaac und das Ei von Bobby Palmer stellt ein solides Debüt dar. Der Autor geht mit der sensiblen Thematik angemessen und souverän um – angesichts eines Eis als Hauptfigur kein leichtes Unterfangen. Überzeugen können vor allem die herzerwärmende Beziehung zwischen Isaac und dem Ei und die Herangehensweise des Autors.

Stilistisch besitzt er noch einige Schwächen. So neigt er an den unpassendsten Stellen zu einem viel zu langen Satzbau. Ferner wirkt die Geschichte an einigen Stellen nicht durchdacht. Gerade das Ende scheint kurzfristige Änderungen erfahren zu haben, die der Aufbau so nicht hergibt.

Wer dieser Thematik etwas abgewinnen kann und ein kurzweiliges Buch zum Lachen und Weinen sucht, wird hier fündig. Ein Meisterwerk darf man allerdings nicht erwarten.

Durchschnittliches Hardcover

Die Ausgabe aus dem Heyne Verlag weiß zu gefallen. Rein handwerklich halten wir ein handelsübliches Hardcover in den Händen, das rundum den Anforderungen dieser Preisklasse entspricht. Der Pappeinband ist solide verarbeitet und das Papier und der Schutzumschlag sind ausreichend stabil. Eine Fadenheftung dürfen wir nicht erwarten, aber immerhin können wir uns über ein Leseband freuen.

Im Hinblick auf die Buchgestaltung hat man sich Mühe gegeben und ein stimmiges Gesamtwerk geschaffen. So gehen die Farben harmonisch ineinander über und im Inneren hat man die Möglichkeiten der Textsetzung voll ausgeschöpft. Auch das Cover ist ein Blickfang und macht neugierig. Die Übersetzung stammt von Felix Mayer.

Pro/Contra

Pro
  • Weckt verschiedenste Emotionen
  • Angemessener Umgang mit sensiblen Themen
  • Gefällige Gestaltung des Textblocks
Contra
  • Stilistisch noch unausgereift
  • Einige Schwächen im Plot

Fazit


Isaac und das Ei von Bobby Palmer stellt ein unterhaltsames und kurzweiliges Debüt dar. Kleinere stilistische Schwächen fallen dabei kaum ins Gewicht.

autor: Bobby Palmer

Titel: Isaac und das Ei

Seiten: 317

Erscheinungsdatum: 2022

Verlag: Heyne Verlag

ISBN: 9783453274167

Übersetzer: Felix Mayer

illustratoren: –

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt

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2 Kommentare
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Marie
11.09.2024 15:07

Hallo Eugen,
ganz zufällig stoße ich auf deinen Blog, finde diesen Beitrag und sehe eine Verlinkung zu mir, die mir leider in meinem Blog nie angezeigt wurde. Mit über einem Jahr Verspätung also herzlichen Dank für die Verlinkung. 😊
Eine schöne Rezension. Ich werde gleich mal weiter bei dir stöbern.
Liebe Grüße
Marie

Eugen
13.09.2024 15:13
Antwort an  Marie

Hallo Marie,
Sehr gerne! Es geht mir oft genau so, aber ich bin technisch nicht bewandert genug, um dieses Problem zu bewältigen. Aber es geht auch so, wie dein Beispiel zeigt!

Liebe Grüße,

Eugen