V wie Vendetta
von Alan Moore
08.10.2021
- Phantastik
V wie Vendetta ist eine Graphic Novel des Zeichners David Lloyd und des Texters Alan Moore, der durch teilweise sogar mehrfach verfilmte Werke wie Watchmen, From Hell oder eben V wie Vendetta Berühmtheit erlangt hat.
Ein einsamer Kampf gegen ein Regime
Die Graphic Novel spielt in einem fiktiven England, das als eines von nur wenigen Ländern den dritten Weltkrieg überlebt hat. Dadurch stürzte das Land einige Jahre ins Chaos, bis eine faschistische Partei die Macht ergriff. Diese schuf einen totalitären Überwachungsstaat mitsamt Führerkultur, tötete jede erdenkliche Minderheit in Konzentrationslagern und zerstörte sämtliche kulturellen Errungenschaften der Vergangenheit. Die restliche Bevölkerung trägt diesen Zustand der Bevormundung mit und erduldet Unterdrückung und Lebensmittelrationalisierungen. Kein Wunder, wenn sogar das Wetter unter der Kontrolle der Regierung liegt. Systemkritiker werden zum Schweigen gebracht und wer keinen Beitrag mehr zum Regime leistet, wird schnell fallen gelassen.
Im November 1997 beginnt nun der mysteriöse V, stets verhüllt mithilfe einer Guy-Fawkes Maske, mit einer Reihe von terroristischen Anschlägen, um einen anarchischen Zustand herbeizuführen, der die Regierung zersetzen und die Bevölkerung wachrütteln soll. Zeitgleich rettet er die sechzehnjährige Evey vor Prostitution und Geheimpolizei und weiht sie nach und nach in seine Pläne ein. Erst spät wird ihr klar, was für eine Rolle V für sie vorgesehen hat. Doch die Regierungsseite bleibt nicht untätig und so finden sich schon bald Spuren, die zur wahren Identität von V führen könnten. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
Als die beiden Briten 1982 die ersten Hefte im Warrior Magazin veröffentlichten, führte Margaret Thatcher Großbritannien mit eiserner Hand und der Kalte Krieg beherrschte immer noch das Weltgeschehen. Die Zeit zwischen grundlegenden und einschneidenden Reformen und dem Streit um Mittelstreckenraketen dürfte prägend gewesen sein bei der Entstehung dieser Graphic Novel. Vor diesem Hintergrund entwerfen sie eine bedrückende Dystopie und halten sowohl Faschismus als auch Anarchie einen Spiegel vor.
Ein ambivalenter Held (?)
Das faschistische England im Jahre 1997 ist eine bedrückende Welt, in der der Staat in orwellscher Manier seine Bürger bewacht und unterdrückt. Minderheiten wie Schwarze oder Homosexuelle wurden schon längst ausgelöscht, und so liegen die Sympathien des Lesers zunächst auf Seiten des anarchistischen Terroristen V. Er bewahrt viele verloren geglaubte kulturelle Schätze auf und bekämpft die faschistische Regierung auf jede erdenkliche Art und Weise. Schnell wird allerdings klar, dass V nicht der Held ist, den man anfangs in ihm gesehen hat. Auch er tötet beinahe schon willkürlich Menschen, sprengt Gebäude in die Luft und schreckt nicht einmal vor der Folter Minderjähriger zurück.
Als Leser stellt man sich im Verlaufe der Handlung die Frage, ob V nicht genauso handelt wie die faschistische Regierung. Schließlich zwingt er auch nur der Mehrheit, die Konzentrationslager und totale Überwachung zugelassen hat, sein anarchistisches Weltbild auf. Er hofft, ohne einen konkreten Plan für die Zukunft zu haben, dass aus seinen Handlungen etwas Besseres als die Gegenwart entsteht und dafür ist er bereit, jeden Preis zu zahlen. Moore zeigt hier die Schwächen der anarchistischen und faschistischen Weltanschauungen und das Leid des Individuum innerhalb dessen. Er beantwortet aber selbst keine Fragen, sondern lässt vieles offen, und genau darin liegt die Stärke dieser Graphic Novel. Der Leser soll sich nicht von Fanatikern und Ideologien leiten lassen, sondern sich seines eigenen Verstandes bedienen und eigene Entscheidungen treffen.
Die Guy Fawkes Maske als Symbol des Widerstandes
Gerade durch die Verfilmung erlangte die von V getragene Guy-Fawkes Maske enorme Popularität als Symbol des Widerstands und wurde und wird immer noch von zahlreichen Bewegungen und Einzelprotestlern genutzt, prominentestes Beispiel dürfte die Anonymus Bewegung sein. Neuleser sollten sich jedoch nicht vom inflationären Gebrauch der Guy-Fawkes Maske abschrecken lassen, Moores Geschichte hat wenige bis gar keine Gemeinsamkeiten mit entsprechenden Bewegungen.
Der wirkliche Guy Fawkes versuchte am 5. November 1605 den britischen König James I. mitsamt Parlament in die Luft zu sprengen, um die Katholikenverfolgung zu beenden und einen katholischen König einzusetzen. Er scheiterte letzten Endes aufgrund eines unvorsichtigen Mitverschwörers und wurde hingerichtet.
Zeichnungen und Plot nicht auf Augenhöhe
Die Zeichnungen haben mich leider oft enttäuscht. Die Qualität ist zwar solide, aber der Pulp Zeichenstil hat nun einmal seine Grenzen, was angesichts der vielfältigen Themen und Motive enttäuschend ist. Gerade die vielen experimentellen Panels können so ihre volle Wirkung nicht erreichen und bleiben weit hinter der Handlung zurück.
Eine wirklich absolute Edition
Die mir vorliegende Ausgabe stellt die deutsche Absolute Edition von V wie Vendetta aus dem Panini Verlag dar und erfüllt bezüglich der Ausstattung meine Erwartungen. Das Buch wird mitsamt stabilen Schuber geliefert, der Umschlag und das Papier sind dick und die Fadenheftung wird verstärkt durch eine zusätzliche Klebebindung.
Das Buchformat ist größer als bei normalen Comics und definitiv nicht dazu geeignet, unterwegs gelesen zu werden, sondern sollte viel mehr in den eigenen vier Wänden genossen werden. Leider fehlt ein Leseband, dafür trumpft das Buch mit der kompletten V-Reihe mitsamt zweier Kurzgeschichten sowie mit zusätzlichen Zeichnungen, einer Guy-Fawkes Maske aus Pappe und dem kurzen Essay Hinter der gemalten Maske von Alan Moore auf, in dem er auf die Entstehungsgeschichte des Protagonisten eingeht.
Pro/Contra
Pro
- Packende Handlung
- Viele brisante Themen werden angemessen behandelt
- Keine vorgefertigten Antworten, der Leser soll selber zum Nachdenken animiert werden
Contra
- Der Zeichenstil trifft sicherlich nicht jeden Geschmack
Fazit
V wie Vendetta ist völlig zurecht ein Klassiker der modernen Literatur und genießt Kultstatus. Die Handlung ist sowohl spannend als auch durchdacht und man muss Moore hoch anrechnen, dass er zu diesem Stoff keine einfache Antworten liefert, sondern vor allem zum selbstständigen Nachdenken anregt. Der Pulp Zeichenstil trifft nicht jeden Geschmack, dafür entschädigt die Motivwahl den Leser zumindest ein wenig.
autor: Alan Moore
Titel: V wie Vendetta
Seiten: 400
Erscheinungsdatum: 1982
Verlag: Panini Verlag
ISBN: 9783866075054
übersetzer: Uwe Anton
illustrator: David Lloyd