
Andrax
von Peter Wiechmann und Jordi Bernet
16.06.2023
- Phantastik
Texter Peter Wiechmann und Zeichner Jordi Bernet schufen mit Andrax eine Kultfigur der deutschen Comic-Szene. Doch wie gut haben die Abenteuer den Lauf der Zeit überstanden?
Zukunft wider Willen
Montreal, 1976: Der Zehnkämpfer Michael Rush ist auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Leistungsfähigkeit angelangt und dominiert die Olympischen Spiele. Die Welt scheint nur darauf zu warten, von ihm erobert zu werden. Doch jeder Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Und zu seinem Unglück gerät er in den Fokus des verrückten Professors Magor. Dieser lässt ihn kurzerhand entführen und schickt ihn in einen 2000-jährigen Schlaf.
Kaum ist er erwacht, lässt ihn ein Hologramm wissen, dass er fortan Andrax heißen soll und in die Zukunft geschickt wurde, um … Wir Leser werden es nie erfahren, da ein Recke wie Andrax es gar nicht erst zulässt, dass ihm ein Kopfmensch Anweisungen gibt. Kurzerhand zerstört er die technischen Vorrichtungen und beschließt, die Zukunft auf eigene Faust zu erkunden. Doch nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was ihn in der Zukunft erwartet …
Klassiker mit spanischen Wurzeln
Andrax erschien ursprünglich zwischen den Jahren 1973 und 1976. Zunächst im Primo-Magazin des legendären Rolf-Kauka-Verlages, später dann beim Konkurrenzmagazin Zack. Hinter einem Projekt wie Andrax stecken natürlich mehr Personen als nur Zeichner und Autor. Doch in diesem Falle ist es schwierig, die Zentralgestalten herauszukristallisieren.
Der Autor Peter Wiechmann gehört zu den Pionieren der deutschen Comic-Szene. Neben eigenen Geschichten wie „Dietrich von Bern“ und „Hombre“ wurde er vor allem dadurch bekannt, dass er Reihen wie Asterix, Lucky Luke oder die Schlümpfe nach Deutschland brachte. Seine genaue Rolle innerhalb von Andrax lässt sich nicht genau bestimmen.
Zwar wird er als Texter und Autor benannt und auf dem Cover prominent in Szene gesetzt. Doch auch ein gewisser Mugel Cusso scheint eine nicht unerhebliche Rolle im ganzen Unterfangen gespielt zu haben. Jordi Bernet stammt aus Spanien und ist einigen Lesern vermutlich noch als Zeichner der ebenso bekannten „Torpedo“-Reihe ein Begriff.
Ein Feuerwerk der Fantasie
Zur Handlung: Andrax hat auf den Rat von Professor Margor verzichtet und befindet sich auf dem Weg an die Erdoberfläche. Welche Wunder erwarten unseren Helden in der Zukunft, zu welchen Höhen mag sich die Menschheit wohl aufgeschwungen haben?
Zur Überraschung von Andrax gibt es die Menschheit nicht mehr. Stattdessen existieren zahllose voneinander abgeschottete und unabhängige Teilreiche, die auf unterschiedlichsten Zeitachsen angesiedelt sind. Fast so, als würden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichberechtigt nebeneinander laufen.
So ist es nicht ungewöhnlich, dass wir in einem Abenteuer mit Neandertalern und Dinosauriern zu tun haben, dann im finstersten Mittelalter landen, zwischendurch in den Wilden Westen abtauchen, um dann wieder in einer futuristischen Stadt zu landen.
Die Macher der Serie nutzen diesen Umstand, um die Geschichten mit vielen Anspielungen zu versehen. So treffen wir unter anderem auf Frankensteins Monster, Dracula, Außerirdische, Billy the Kid, einen Robin-Hood-Verschnitt und einen militanten Van Gogh.
Dabei scheinen sie sich für nichts zu Schade zu sein. Riesige Gehirne, die Dinosaurier steuern? Verfolgungsjagden im U-Boot? Epochale Luftschlachten im Kampfjet gegen riesige Flugsaurier? Bei Andrax ist alles möglich! Die Ideen sind so absurd und verrückt, dass sie einen gewissen Unterhaltungswert haben. Und zumindest Freunde der gepflegten Trash-Unterhaltung werden hier voll auf ihre Kosten kommen.
Ein Held ohne Fehl und Tadel
Die Abenteuer laufen fast ausnahmslos nach demselben Muster ab: Andrax stürzt sich in eines der oben benannten Szenarien und rettet einen beliebigen Menschen (in der Regel wunderschöne Frauen) vor einer beliebigen Bedrohung (in der Regel Männer des eigenen Kulturkreises, aber gerne auch Dinosaurier). Nachdem er dem Volk klargemacht hat, dass ihre eigene Lebensweise vollkommen falsch war und ihnen erklärt hat, wie sie sich in Zukunft zu verhalten haben, lauert die nächste Bedrohung. Meist wird er gefangen genommen, kann sich befreien und besiegt anschließend seinen Gegner. Allzu lange hält er es nicht aus, verlässt den Ort und die Geschichte wiederholt sich.
Dabei stellen wir schnell fest: Andrax a. k. a. Michael Rush ist ein wahrer Teufelskerl, der mit allen Wassern gewaschen ist. Neben seinen überlegenen athletischen Fähigkeiten besitzt er eine Einzelkämpferausbildung, kann mit dem Schwert ebenso sicher umgehen wie mit einer Schusswaffe und ist in der Lage, Kampfflieger, Panzer und U-Boote souverän zu steuern. Daneben besitzt er noch grundlegende Kenntnisse in Elektrotechnik, Landwirtschaft, Jagd, Botanik und Rhetorik.
Daneben ist er natürlich ein Gentleman par excellence. Immer nett, stets zuvorkommend und hilfsbereit. Einfach ein Typ, der jedem Menschen mit einem Lächeln im Gesicht und einem kessen Spruch auf den Lippen die Tür aufhält.
Begleitet wird er nach seinem ersten Abenteuer vom Krieger Holernes. Dieser zeichnet sich zwar nicht durch Grips aus, besitzt aber viel wichtigere Eigenschaften wie rohe Muskelkraft und eine unerschütterliche Treue zu Andrax. Nebenbei ist er in dem Gespann für die Fehler zuständig, sodass Andrax umso mehr glänzen kann.
Solide Zeichnungen
Die Gesamtausgabe ist vollständig in Schwarz-Weiß gehalten und bei Jordi Bernets Zeichnungen handelt es sich weder um ästhetische Meisterwerke noch um stümperhafte Anfängerarbeiten. Sonderlich weit scheint sein Figurenspektrum nicht zu reichen.
Oder das Gehalt war nicht hoch genug, um eine abwechslungsreichere Arbeit zu rechtfertigen: Die Frauen sehen alle exakt gleich aus, bei den Männern reicht es immerhin für 3–4 Variationen, denen andere Kleidungsstücke übergestülpt wurden. Zudem scheinen die Abgabetermine ab Mitte der Gesamtausgabe immer näher gerückt zu sein. Jedenfalls deutet eine deutliche Abnahme an Details darauf hin.
Was bleibt?
Andrax von Peter Wiechmann und Jordi Bernet ist ein Comic-Klassiker, der heutzutage nur noch Fans und Freunde der gepflegten Trash-Unterhaltung begeistern wird. Die Szenarien, Abenteuer und Dialoge sind so abgedreht und abwegig und die Charaktere so einseitig und einfallslos, dass man schon ein Faible für diese Dinge haben muss, um diesen Comic-Klassiker genießen zu können. Alle anderen sollten einen großen Bogen um diesen Prachtband machen.
Hochwertige Aufmachung
Die Gesamtausgabe aus dem Cross-Cult-Verlag ist ein wahrer Ziegelstein. Sie eignet sich daher kaum als Urlaubslektüre und auch die Positionierung auf der heimischen Couch erfordert einiges an Aufwand.
Die verwendeten Materialien sind recht hochwertig. Neben dem stabilen Umschlag und dem reißfesten Papier begeistert eine Fadenbindung. Nicht zuletzt hat der Verlag an ein Leseband gedacht, das im Vergleich zum Rest des Bandes winzig wirkt.
Positiv ist zu vermerken, dass wir bis auf die inoffizielle Abschlussgeschichte hier sämtliche Andrax-Geschichten finden. Schade ist, dass auf jegliche Extras verzichtet wurde. Man hätte meinen können, dass im Rahmen einer Gesamtausgabe zumindest ein kurzes Nachwort möglich gewesen wäre. Zumal auch die vorherigen Einzelbände Extras vorweisen konnten.
Bibliographie
Pro/Contra
Pro
- Hoher Trash-Faktor
Contra
- Hoher Trash-Faktor
- Eintönig
- Zeichnungen verlieren im Laufe der Zeit an Tiefe
Fazit
Andrax von Peter Wiechmann und Jordi Bernet kann heutzutage nur noch Fans und Freunde der Trash-Unterhaltung begeistern.
autor: Peter Wiechmann und Jordi Bernet
Titel: Andrax
Seiten: 767
Erscheinungsdatum: 1973-1976
Verlag: Cross Cult
ISBN: 9783966581905
Übersetzer: –
illustrator: Jordi Bernet









